: Schwarze Hintergründe
Schwarz absorbiert alles Licht. Menschen assoziieren Schwarz mit dem Ende, dem Bösen, der Macht und mit Bedrohung. Beispielsweise spielt das Genre des Film noir stets im zwielichtigen Milieu der Großstadt. Klassisch für diesen Stil war der Film „Der Tag bricht an“ (1939), wo ein von der Polizei verfolgter Verbrecher Selbstmord begeht.
Die Schwarze Witwe genannte Spinne kann die menschliche Haut durchdringen und ein Gift injizieren, das fünfzehnmal giftiger ist als das einer Klapperschlange. Bei dieser Tierart frisst nach der Paarung das Weibchen das kleinere Männchen.
Schwarze Kleidung gilt als ausdrucksstark. Traditionell zeigt sie in textiler Hinsicht Trauer an. Bei Priestern, Nonnen und Dekanen verkörpert das schwarze Gewand oft Strenge. Bei Designern, Architekten und Existenzialisten – hier vorzugsweise in einer Kombination aus schwarzem Rolli und schwärzerem Espresso – soll Schwarz Tiefgründigkeit und Ernsthaftigkeit suggerieren.
Rocker tragen schwarzes Leder, Punker garnieren schwarze Kluft mit schrillen Farben. Tiefschwarze Roben im gotischen Stil und bleich geschminkte Haut der Waver oder Gruftis symbolisieren deren Sehnsucht nach einer anderen Zeit und die Vergänglichkeit der Welt. Großes Vorbild dieses Kults ist der Sänger Robert Smith von der Gruppe „The Cure“, deren Videos voller Spinnen und Spinnweben sind.
Viele Menschen grenzen sich durch die Nichtfarbe von anderen Menschen und Milieus ab. Ganz anders das kleine Schwarze. Vor allem in der Kombination mit viel nackter Haut fällt seine Trägerin auf; bei Unsicherheiten hinsichtlich des Dresscodes ist dieses Kleidungsstück oft die sicherste Wahl. Auch alternative Politiker fallen zunehmend weniger durch gelbe Pullunder oder Turnschuhe auf, sondern durch schwarze Anzüge. Möglicherweise deuten sie damit die Bürde ihrer Ämter an.
Für den Psychologen Harald Braem, Autor des Buches „Die Macht der Farben“ (1998), ist die „Bewegung zwischen Rot und Schwarz“ eines der entscheidenden Literaturthemen: die Spannung zwischen Liebe und Tod käme in dieser Bewegung zum Ausdruck. Deutlichstes Beispiel: Stendhals „Rot und Schwarz“ (1830). Der Roman des französischen Schriftstellers erzählt von Julien, seiner Liebe zu zwei Frauen, seinem schwarzen Ehrgeiz und roten Hitzewallungen.
In der Antike formulierte Hippokrates das System der quattuor humores, die Lehre von den vier Körpersäften. Nach dieser Theorie macht ein Übermaß an schwarzer Galle im Körper den Menschen zum Melancholiker.
Das Grundgesetz nennt in Artikel 22 Schwarz-Rot-Gold als die Farben der Bundesflagge. Schwarz ist aber nicht nur Staatsfarbe vieler Länder. Spätestens seit den Demonstrationen beim Globalisierungsgipfel in Genua ist der Begriff schwarzer Block bekannt, mit dem man eine Gruppe gewaltbereiter Autonomer bezeichnet.
Im Deutschen hat „schwarz“ nur selten eine positive Bedeutung: warten, bis man schwarz wird, jemanden anschwärzen, schwarzfahren, schwarzarbeiten, schwarzhandeln und früher einmal schwarzgehen (Wilddieberei). Worte wie Schwarzwälder Kirschtorte sowie Schwarzwurz sind zumindest neutral. JUDITH LUIG
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