Visitenkarten vom Architektennachwuchs

■ Ein zwiespältiges Ereignis: Die BDA-Studienpreisverleihung im Stadtplanungsamt

Wenn eine etablierte Architektenorganisation wie der Bund Deutscher Architekten (BDA) einen Studienpreis für herausragende Architekturentwürfe auslobt – in Bremen übrigens zum elften Mal –, mag man dabei ein zwiespältiges Gefühl bekommen. Denn gerade das Berufsbild vom kreativen, entwerfenden Architekten, das mit diesem Wettbewerb bestärkt wird und das erst die meisten Architekturstudenten zur Wahl ihres Studienfachs bewogen hat, stimmt schon lang nicht mehr mit dem Berufsalltag überein. In der Praxis sind weniger kreative Köpfe als Spezialisten der Bauabwicklung, also Indianer, nicht Häuptlinge gefragt. Diese Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit wird sich gerade in Deutschland durch die hier besonders große „Architektenproduktion“ noch erweitern. Jährlich strömen rund 5.000 Hochschul-Absolventen auf einen Markt, auf dem für Entwurfsarchitekten kaum eine Lücke zu finden ist.

Beim am Donnerstag entschiedenen Preisausschreiben waren Semesterarbeiten aus dem Hauptstudium und Diplomarbeiten zugelassen. Für die Studierenden und Absolventen bietet die Präsentationsmöglichkeit im schönen Lichthof des Stadtplanungsamtes die Chance, ihre „Visitenkarte“ zu hinterlassen. Entsprechend angestrengt wirkte der graphische und modellbauerische Aufwand. Seitdem Architektur überwiegend am Computer entwickelt wird, hat sich eine typische Ästhetik so genannter Renderings herausgebildet. Man sieht zwar bunte, aber irgendwie aseptisch wirkende Perspektivausdrucke, die die dreidimensionale Tauglichkeit des Entwurfs belegen sollen, und in die häufig – zur Vermittlung des menschlichen Maßstabs – aus Lifestyle-Magazinen entführte Figuren mit durchtrainierten Körpern hineingesprenkelt wurden: Zeichen cool demonstrierter Beziehungslosigkeit? Neben der enormen graphischen Arbeit wirken die architektonischen Ideen nicht selten bescheiden. Wie meist bei Präsentationen dieser Art sind die Bezugnahmen auf angesagte Trends und Vorbilder kaum zu übersehen. Und die sind heute so weit wie selten zuvor gefächert. So entdeckt man geschwungene „organische“ Gebilde neben kruden Glaskisten, amöbenhafte Grundrissfiguren neben einem strikten geometrischen Reduktionismus, urbane Signale neben introvertierten Räumen, fröhlichen High-Tech-Utopismus neben einer das haptische Empfinden ansprechenden Materialästhetik.

Die erste Preisträgerin, Wencke Eissing, hat ihrer Arbeit sogar Materialproben beigefügt – widersprüchlicherweise hinter Glas. Ihr Entwurf eines Klosters am See überzeugt durch seine Balance zwischen Introvertiertheit und Öffnung. Balance ist auch für Iris Steidle die zentrale Fragestellung bei ihrem Entwurf für die Erweiterung einer Filmakademie, der eine Anerkennung erhielt. Das geschieht bei ihr über die Dialektik von Verbindung und Trennung im gestalteten Raum. Das hierfür gewählte architektonische Mittel eines langen Steges, an den verschiedene Gebäudeeinheiten angedockt sind, überzeugt aber eher als Idee denn in der umgesetzten räumlichen Qualität eines Endlosflures. Den Kontrast zwischen Altbau und Neubau thematisieren die Träger des zweiten Preises, Steven Schwertfeger und Jochen Voos, die ein Technikmuseum am Kranhafen vorstellen. Die Glasfront des Neubaus ist konzipiert als Schaufenster auf den Umraum mit seinem maritimen Ambiente, der somit selbst zum Exponat wird. Überzeugender noch in ihrer Auseinandersetzung mit dem Umraum erscheint schließlich die Arbeit von Nadja Pokall und Lars Lammers (Anerkennung). Die beiden haben sich auf ein städtebaulich schwieriges Terrain gewagt: auf den verkehrszerstückelten Stadtteil Hemelingen. Ob ihr Vorschlag eines so genannten Stadtlabors (eine Art Gemeinschaftszentrum) als Angelpunkt stadträumlicher Reintegration funktioniert, könnte nur eine praktische Erprobung zeigen: Politiker und Investoren aufgemerkt!

Eberhard Syring

Bis 22. November im Stadtplanungsamt, Langenstraße 38-42, Mo-Mi 8.30-16 Uhr, Do 8.30 -18 Uhr, Fr 8.30 bis 12 Uhr.