: Geldmangel schafft Einheit
Bei der Justiz soll nicht gespart, sondern Geld investiert werden. Die FDP will Gerichtsgebäude und Teile der Knäste privatisieren. Pläne für einen Gefängnisneubau in Brandenburg sind vom Tisch
von PLUTONIA PLARRE
Bei den Koalitionsverhandlungen über die künftige Justizpolitik der Ampel scheint es weniger Konfliktstoff zu geben als bei anderen Themen. Der Grund ist weniger die Harmonie in Sachen Rechtspolitik, als vielmehr mangelnder Gestaltungspielraum. Justizia an der Spree ist so verarmt, dass es nur noch um Investitionen gehen kann. Streit zeichnet sich in der rot-gelb-grünen Verhandlungsgruppe allerdings in der Frage der künftigen Drogenpolitik ab (siehe unten).
Die Gerichtsgebäude sind marode. Es gibt kaum moderne Kommunikationsmittel wie Computer oder Internet. Im Ländervergleich liegt Berlin bei den Terminrückständen ganz vorn. Desolat auch die Zustände in den Knästen. Die Männerhaftanstalt Tegel ist überbelegt und sanierungsbedürftig. Zwischen SPD, Grünen und FDP besteht ein Konsens darüber, dass die Arbeitsorganisation der Gerichte und Staatsanwaltschaft durch ein Sofortinvestitionsprogramm für Kommunikationstechnik und Serviceeinheiten verbessert werden muss. Staatsanwaltschaft und Zivilgerichte sollen neu strukturiert und eine Zusammenlegung der Obergerichte mit Brandenburg ins Auge gefasst werden.
Wenn es nach den Liberalen ginge, würden die renovierungsbedürftigen Gerichtsgebäude sogar verkauft und in einem so genannten „Sell&lease back“-Verfahren wieder angemietet. Grüne und SPD sind dagegen. Sie halten diese Lösung für teurer. Die wieder mitregierenden FDPler wollen zudem Teile der Knastinfrastruktur privatisieren. Hinsichtlich der Gefängnisbäckerei, Wäscherei und der Fahrbereitschaft (ohne Gefangenentransport) geben sich die Grünen durchaus offen. Problematisch, so der Einwand, ist allerdings, dass sich kaum private Investoren für den Knast gewinnen lassen. Das hat bereits ein Interessenbekundungsverfahren ergeben, mit dem Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) im Sommer ausloten ließ, ob sich Firmen in Gefängnissen engagieren würden. Nur die Übernahme der Fahrbereitschaft galt Unternehmern als attraktiv.
Unstrittig ist, dass das Haftvermeidungsprogramm „Schwitzen statt Sitzen“ ausgebaut und die Gefängnisinsassen besser auf eine vorzeitige Entlassung nach zwei Dritteln der Strafverbüßung vorbereitet werden sollen. Die Grünen pochen darauf, auch ausländischen Strafgefangenen die Möglichkeit zu Vollzugslockerungen zur Entlassungsvorbereitung zu bieten. Die wird ihnen in der Regel mit der Begründung verwehrt, nach der Strafverbüßung würden sie ohnehin abgeschoben.
Der geplante Neubau eines Männerknastes ist aus finanziellen Gründen vom Tisch. Als Standort war das brandenburgische Großbeeren im Gespräch. Stattdessen, so die Verhandlungsgruppe, solle in einen Aus- und Umbau von Tegel investiert werden. Uneinig sind sich die Koalitionäre darüber, wo das neue Haftkrankenhaus stehen soll. Grüne und SPD plädieren für einen 20-Millionen-Mark-Neubau im alten Jugendknast Plötzensee. Die Gelben schlagen vor, das stillgelegte Krankenhaus Moabit zu reaktivieren.
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