: New Economy weg
Kein neues Zeitalter der Ökonomie, so US-Forscher, sondern außergewöhnliche Konjunktur durch Computer
BERLIN taz ■ Das außergewöhnliche Wachstum der Produktivität in den 90er-Jahren war eine vorübergehende Veranstaltung. Deshalb sei es irreführend, von einer „New Economy“ zu sprechen, erläuterte Ökonomieprofessor Robert Gordon am vergangenen Freitag während eines Workshops des Bundeswirtschaftsministeriums. Gordon ist einer der renommiertesten Produktivitätsforscher, er lehrt an der Northwestern University in Illinois/ USA.
Bis der New-Economy-Boom an den Börsen im März dieses Jahres zusammenbrach, war es eine weit verbreitete Ansicht, ein neues Zeitalter habe begonnen. Computer und Internet bringen eine strukturell höhere Produktivität und eine größere Konkurrenz auf den Märkten, lautete die Argumentation. Das ermöglicht höheres inflationsfreies Wachstum – auch wenn die Arbeitslosigkeit gen Null sinkt und die Löhne steigen. Der Wirtschaftszyklus aus Boom und Krise werde viel milder oder gar ganz ausfallen, so Optimisten.
Robert Gordon zweifelt die These von der außergewöhnlichen Produktivitätssteigerung an. Gegenüber dem Anstieg der Arbeitsleistung von 1,4 Prozent pro Jahr in den USA (1972-1995) hat sie in den folgenden fünf Jahren (1996-2000) zwar um 2,6 Prozent zugelegt. Die 1,2 Prozent Unterschied lassen sich laut Gordon als Ausnahmephänomen bestimmter Branchen in einer besonderen konjunkturellen Phase erklären. 0,3 der 1,2 Prozent bringt der Ökonom ausschließlich mit der größeren Leistungsfähigkeit der Computerhersteller zusammen. Weitere 0,6 Prozent Steigerung der Arbeitseffizienz habe der Einsatz von Computern und Internet in anderen Branchen ermöglicht.
Diese 0,9 Prozent zusätzlichen Produktivitätszuwachses machen das eigentliche Phänomen der „New Economy“ aus, beruhen aber laut Gordon auf vorübergehenden Effekten: Zum Beispiel stark fallende Preise bei Computern, die viele Investoren animierten, neueste Technik einzukaufen. Dieser Effekt ist nun erst einmal vorbei. Außerdem wurde das Internet erfunden und bewirkte einen extremen Schub. Hinzu kamen die niedrigen Ölpreise und die infolge der Asienkrise gesunkenen Importpreise in die USA.
Was Wachstum und Produktivität angeht, kann man also schwerlich von einer „New Economy“ reden. Andere Dimensionen sind in dieser Debatte nicht erfasst. Kulturell und arbeitsorganisatorisch spielt sich in vielen Betrieben heute tatsächlich etwas anderes ab, als in den alten Großkonzernen. HANNES KOCH
Artikel im Net: www.frbsf.org/publications/economics/letter/2001/el2001-14.html
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