: gunter gabriel über patriotismusdefizite im showgeschäft
„Was singen unsere Stars, wenn so ein Ding in den Reichstag stürzt?“
taz: Herr Gabriel, was trieb Sie zur Truppe?
Gunter Gabriel: Warum soll ich nicht für die armen Kerle da unten im Kosovo ein bisschen Musik machen? Eh ich zu Hause mit dem Arsch im Stuhl sitze, tu ich ein gutes Werk. In England, in Amerika ist es selbstverständlich, für die eigenen Jungs da zu sein. Ob der Krieg gerechtfertigt ist oder nicht. Kosovo oder Afghanistan – wetten, dass wir da auch noch hinkommen? Ich bereite schon mal das Feld vor.
An der deutschen Unterhaltungsfront ist es um Sie herum bislang noch recht einsam.
Da bin ich gerne Außenseiter. Dem Wolfgang Petry läuft das Gold hinten aus dem Arsch raus – da müsste das eine Ehrensache sein. Scharping ist ein Freund von Wecker. Warum sorgt er nicht dafür, dass der da runtergeht? Das finde ich wichtig. Vor allem ohne auf die Knete zu achten. Das ist eine Unverschämtheit, dass Westernhagen sagt, ich komme umsonst, aber Anlage und Band kosten 380.000 Mark.
Woran liegt das?
Wir sind ja keine Patrioten. Bei dieser Feier für die Feuerwehrleute von New York waren sie alle da: Neil Young, Bruce Springsteen. Und was haben sie für Lieder gesungen: Erwachsenenlieder, die ans Herz gehen. Wir haben doch diese Songs gar nicht. Was würden unsere Stars denn singen, wenn so ein Ding in den Reichstag stürzt? „Marmor, Stein und Eisen bricht“? „Kinder an die Macht“?
Im Kosovo trafen Sie auf Soldaten, die trugen noch Windeln, als Sie Ihren letzten Hit hatten.
Das war überhaupt nicht wichtig. Als der Song „Es steht ein Haus im Kosovo“ kam, haben die Jungs nach jeder Zeile geschrien. Die sind ausgerastet, mit Polonäse über die Bühne, und der General rief: Kommt jetzt das Deutschlandlied?
Und?
Das hatten wir leider nicht drauf.
INTERVIEW: BAUM, MEIER
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