: Leisten nach Zahlen
■ Studie: Notenzeugnisse in Grundschulen in die Mottenkiste
Ob sich Leistung von GrundschülerInnen besser in Zahlen oder Worten ausdrücken lässt, ist eine unter PädagogInnen seit langem umstrittene Frage. Die Noten-PlädiererInnen erklären ihre Vorliebe mit Leistungsstimulanz durch die konkreten Zahlen. Die ist allerdings durch empirische Studien längst widerlegt, und ihre GegnerInnen argumentieren, dass Worte besser differenzieren und fördern. Hamburgs Schulpolitik hat seit langem Berichtszeugnisse gestärkt: In der ersten und zweiten Klasse gibt es sie ausschließlich, in Klasse drei und vier dürfen die Eltern wählen. Und wer sich für Noten entscheidet, erhält dazu beurteilende Worte zum Arbeits- und Sozialverhalten.
Nun liegen Ergebnisse einer noch von Ex-Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) in Auftrag gegebenen „Studie zur Leistungsbeurteilung und Leistungsrückmeldung an Hamburger Schulen“ vor: „Die empirischen Befunde stützen damit die in Hamburg seit langem eingeschlagene Entwicklung, den Textanteilen bei der Leistungsbewertung einen zunehmend höheren Stellenwert einzuräumen“, ist das Fazit der Bielefelder und Jenaer WissenschaftlerInnen.
Berichtszeugnisse geben schon acht- bis zehnjährigen Kindern wichtige Auskünfte über ihr fachliches und soziales Lernen und seien „attraktiver Lesestoff“. Eine deutliche Mehrheit der GrundschullehrerInnen empfinden Berichtszeugnisse als eine pädagogisch angemessene Form der Beurteilung, und nur einige Eltern erhofften sich von Noten klarere Erkenntnisse über die Leistungen ihrer Kinder.
Doch Hamburg wandelt inzwischen längst auf anderen Pfaden: Der neue Senat hat im Koalitionsvertrag angekündigt, dass Zeugnisse ab Klasse drei den Zahlen gehören sollen. In den ersten beiden Klassen soll es weiterhin Berichte geben.
Bundesweit vorbildlich fanden die WissenschaftlerInnen nebenbei auch die bisher üblichen fächerübergreifenden Bemerkungen auf den Zeugnissen, die „pädagogisch weit anspruchsvoller“ seien als Kopfnoten und auf „breite Zustimmung aller Beteiligten“ stießen. Sie konnten nicht wissen, dass der neue Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) genau diese Kopfnoten einführen will. Sandra Wilsdorf
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