: Der French Touch fürs Birdland
Ein schüchterner Virtuose bringt Jazz, Drum & Bass und HipHop zusammen: Der Trompeter Erik Truffaz im Quasimodo
Erik Truffaz ist ein schmaler unauffälliger Mann, der im richtigen Leben schüchtern wirkt, ja, fast ein wenig unbeholfen. Selbst auf der Bühne steht der 41jährige Franzose oft minutenlang in sich selbst versunken da und hat wirklich nichts von einem Superstar wie Miles Davis, mit dem er so oft verglichen wird. Dabei hätte er die fast übertriebene Bescheidenheit gar nicht nötig, schaut man sich den Verlauf seiner musikalischen Karriere an.
1960 in Chambéry geboren, studierte der junge Erik zunächst brav klassische Trompete am Konservatorium, bis er mit Anfang 20 der Faszination des Jazz erlag. Sein unverwechselbarer Ton und seine Fähigkeiten als Komponist und Arrangeur ließen ihn bald zum Stammgast auf europäischen Festivals werden. Er jammte mit Terence Trent D‘Arby in Montreux, ging mit Robin Eubanks auf USA-Tournee und veredelte nebenbei noch die Erstlingswerke der Schweizer Rapper „Sens Unik“ und „Silent Majority“.
Gemeinsam mit seinem 1991 gegründeten „Erik Truffaz Quartett“ wirbelte er danach zehn Jahre lang die europäische Jazz-Szene durcheinander. Auf Alben wie „Out of a Dream“, „The Dawn“ und „Bending New Corners“ – allesamt auf dem legendären „Blue Note“-Label erschienen – verband er den Cool Jazz der Fünfzigerjahre mit HipHop und urbanem Drum&Bass zu einem modernen Sound – mit gutem Willen konnte man darin durchaus Anknüpfungspunkte zu den Geniestreichen des großen Vorbilds Miles Davis finden. Hypnotische Rhythmen, verzerrte Keyboards und die Spoken-Word-Performances des Gastrappers Nya schlugen eine Brücke zwischen eingefleischten Jazzfans und jungem Clubpublikum, mit dem Ergebnis, dass das „Erik Truffaz Quartett“ vom Londoner Evening Standard zu „Europe’s hippest Jazz combo“ gekürt wurde.
Truffaz ist kein Trompeter der großen Gesten. Mit geschlossenen Augen hört er in sich hinein und sucht dort nach dem richtigen Ton für jede Stimmung. Seine Stärke liegt im perfekten Zusammenspiel mit seinen Mitmusikern und seinem Gespür dafür, selbst mit wenigen dahingehauchten Phrasierungen mehr zu erzählen, als andere mit den virtuosesten Läufen.
Mit seiner Sensibilität und seinem glasklaren Klang, der die klassische Ausbildung verrät, hat Erik Truffaz auch sein neuestes Projekt mit dem Quartett „Ladyland“ geprägt. „Ich wollte ein Album machen, das wieder mehr nach Jazz klingt“, sagt er selbst über seine neue Platte. „Mantis“ – der Titel ist eine Hommage an einen großzügigen amerikanischen Gönner –, ist eine Rückkehr zu den Wurzeln des Jazz, der freien Improvisation. Mit Schlagzeuger Philippe Garcia, Bassist Michel Bénitou und dem Gitarristen Emmanuel Cadjo schafft der Trompeter hier ein Klima der Offenheit und Begegnung, das den einzelnen Musikern sehr viel Raum lässt, sich zu entfalten. In Stücken wie „Magrouni“ und „Yamina“ treffen westliche Harmonien auf orientalische Rhythmik, während in „The Point“ einige wunderschöne Dialoge zwischen verzerrter Gitarre und Trompete entstehen. Sicherlich wird Truffaz auch heute abend mit geschlossenen Augen spielen.
FRANK WEIGAND
Heute um 22 Uhr im Quasimodo, Kantstr. 12a, Charlottenburg
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