: Geweint wird nicht
■ Weil ausnahmsweise alle Lust hatten, inszenierte die shakespeare company zum ersten Mal „Romeo und Julia
„Vorher waren uns andere Stücke wichtiger. Jetzt konnte sich jeder in einer Wunschrolle vorstellen“, fasst Sebastian Kautz (Romeo) für das Ensemble die Entscheidung, sich dem wohl berühmtesten Shakespearschen Plot zuzuwenden, zusammen. Die Company hat sich auf zehn Figuren konzentriert. Bedienstete kommen nicht mehr vor, selbst die Person der Amme geht in der Lady Capulet-Rolle auf.
Eine gelungene Verknüpfung, die Maria von Bismarck viel Raum verschafft für eine frustrierte, alkoholkranke Ehefrau, die ihrer Tochter anfänglich zum Glück verhelfen will. Aber nachdem Romeo ihren Neffen und Geliebten Tybalt gemordet hat, drängt sie Julia (Janina Sablotzki) resigniert zur Vernunftehe. Die Szenen mit Mutter und Tochter gehören zu den high-lights dieser Aufführung. Die Personen sind sich nah, verbünden sich aber nicht gegen den Kleinfamilien-Vorstand. Nicht mal, als Capulet zum Ende des Balls mit lüsternem Blick auf Julia verkündet, als Dessert „werde noch was Leckres herumgereicht“. Thomas C. Zinke, neu im Ensemble, wechselt als Capulet glaubhaft vom ,lieben Daddy' zum aufgeblasenen Gernegroß, besitzergreifenden Ehemann und Vater, der keinen Widerspruch duldet.
Im Dialog mit von Bismarck wie in gemeinsamen Szenen mit Kautz spielt Sablotzki die Facetten der pubertierenden Julia wunderbar heraus: mal ungeduldig und pragmatisch, mal gefühlvoll und träumerisch. Den ProtagonistInnen gelingt es, den tragischen Gehalt des Stückes fühlbar zu machen. In der berühmten Balkon-Szene, hier beide am Bühnenrand sitzend, und beim Abschied nach der Hochzeitsnacht beeindruckt das Paar durch panisch-aggressive und schmeichelnd-umsorgende Töne.
Leider hebt Rainer Iwersens Regie die sexuellen Anspielungen des Stückes zu stark hervor. Das schafft eine Atmosphäre, die Julias ernst gemeinte Frage, welche Befriedigung Romeo suche, zweideutig klingen lässt. Auch die Freude an der zum Teil originellen Bearbeitung der Vorlage – wie das modernisierte Wortgefecht zwischen Mercutio und Romeo – wird durch übermäßig obszöne Texte getrübt.
Der Regisseur ermöglicht mit dieser Focussierung einen Mercutio, der durch seine Sätze und Spielweise die schon bei Shakespeare derben Passagen übertreibt. Die ruhige Figur des ,Weicheis' Benvolio (Zinke) überzeugt da mehr. Neben wirklich witzigen Regieeinfällen (z.B. kommen statt Mariabild und Bibel versehentlich Pater Lorenzos Monroe-Poster und Pornoheft zum Vorschein) verhindert die häufige Verballhornung des Geschehens ein kontinuierliches Eintauchen des Publikums. Oder Julias Suizid: Sie kann sich das Schwert nicht ins Herz rammen, weil der tote Romeo auf ihr liegt. Diese zunächst noch bitterböse Sterbeszene kippt ins Absurde, als Julia die ,Schaschlik-Lösung' wählt und beide Körper durchbohrt.
Der brave, aber lang anhaltende Applaus gilt dem Bühnenbild, das mit rotem und schwarzem Vorhang auskommt und den SchauspielerInnen, die konzentriert drei Stunden lang in ihren Wunschrollen agierten. Tina Otte
Die nächsten Aufführungen am 23. 24., 28. und 29. November, jeweils um 19.30 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen