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Im Labyrinth der US-Strafjustiz

US-Richterin lehnt Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den wegen Mordes verurteilten Mumia Abu-Jamal ab. Neue Zeugenaussagen und ein angebliches Geständnis eines anderen Mörders verwirren die Justizsaga immer mehr

von MARIJKE GERWIN

Mumia Abu-Jamal, der berühmte Todeszelleninsasse der USA, hat in seinem Kampf um ein neues Verfahren einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Die Richterin Pamala Dembe, bei der die Anwälte Abu-Jamals eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hatten, hat sich am Mittwoch in Philadelphia für nicht zuständig erklärt. Damit ist der Antrag abgelehnt. Die Anwälte Abu-Jamals, der für schuldig befunden worden war, 1981 den Polizisten Daniel Faulkner in Philadelphia erschossen zu haben, hatten den Wiederaufnahmeantrag damit begründet, die damaligen Pflichtverteidiger Abu-Jamals hätten ihn völlig unzureichend verteidigt. Außerdem gebe es neue Beweise, die Abu-Jamal entlasten würden.

Denn im Juni 2000 war an die damalige Verteidigung Abu-Jamals ein Mann herangetreten, der angab, der wirkliche Mörder Daniel Faulkners zu sein. In seinem inzwischen auf Video dokumentierten eidesstattlichen Geständnis erklärt Arnold Beverley: „Ich wurde zusammen mit einem anderen Mann beauftragt und bezahlt, Faulkner zu erschießen. Ich hatte gehört, Faulkner sei ein Problem für die Unterwelt und korrupte Polizisten, weil er dem Fluss von Schmier- und Bestechungsgeldern im Wege stand, mit denen die Nichtverfolgung illegaler Aktivitäten wie Prostitution, Spiel und Drogenhandel im Gebiet des Stadtzentrums erkauft wurde.“ In einer Anhörung am 17. August – zu der Abu-Jamal nicht zugelassen wurde – hatte Richterin Pamela Dembe das als nicht verwertbar abgelehnt. Die Begründung: Beweise müssen innerhalb einer Frist von 60 Tagen nach ihrem Bekanntwerden dem Gericht vorliegen. Jetzt legte die Richterin noch einmal nach: Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich Jahre nach Abschluss eines Verfahrens irgendwelche Leute mit Falschaussagen wichtig machten.

Jetzt ruhen die Hoffnungen Mumia Abu-Jamals auf einem weiteren Antrag bei einem Bundesgericht. Durch neue Aussagen wird das Verfahren immer heikler. Ein Zeuge der Verteidigung, Donald Hersing, gibt an, 1981–82 als vertrauliche Informationsquelle des FBI zwei Bordelle in Philadelphia betrieben zu haben, um die Erpressung von Schutzgeldern und Gefälligkeitsleistungen durch die Polizei Philadelphias aufzudecken. Tatsächlich kam es aufgrund dieser verdeckten Ermittlungen in den 80ern zu Verhaftungen und Disziplinarstrafen gegen Polizeikräfte. Als Verbindung zum Fall Abu-Jamal führt die Verteidigung zwei Indizien an: Alphonse Giordano, wegen Korruption verurteilter Polizeibeamter, eilte in der Mordnacht höchstpersönlich zum Tatort. Zwei frühere Zeuginnen der Anklage gegen Abu-Jamal, die Prostituierten Cynthia White und Veronica Jones, arbeiteten in dem Rotlichtviertel, in dem die verdeckten Ermittlungen des FBI gegen Giordano und seine Kollegen stattfanden. Cynthia White hatte in dem Verfahren gegen Abu-Jamal ausgesagt, sie habe gesehen, wie er David Faulkner gezielt erschossen habe. Amnesty international sieht „Anhaltspunkte, dass Cynthia White von den Strafverfolgungsbehörden und der Polizei bevorzugt behandelt wurde“.

In seiner eidesstattlichen Erklärung, die dem Bezirksgericht Ost-Pennsylvania vorliegt, bezeugt FBI-Informant Hersing, dass die „Straßenprostituierten jeweils auch von der Polizei abgeschöpft und kontrolliert wurden, die Geld, sexuelle Dienstleistungen sowie Informationen von ihnen verlangte, wobei die Prostituierten als Gegenleistung bei ihrer Arbeit auf der Straße weniger oft festgenommen wurden“. Damit wird die Aussage von Veronica Jones gestützt, die Polizei habe ihr Vergünstigungen angeboten, wenn sie gegen Abu-Jamal aussagte.

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