: Die Hübschen nach vorn
Wenn Schnittlauchhaare Rache üben: die voll coole Papp-Animations-Kinderserie „Angela Anaconda“ begeistert pfiffige Kinder, tolerante Eltern (Sa., 18.55 Uhr und So., 18.45 Uhr, Super-RTL)
von ANJA MEIER
„Mach den Scheiß aus! Kommt denn nichts Vernünftiges im Kinderkanal?“, bellt man das Kind im Vorbeigehen an. Schon das Logo von SuperRTL am oberen Bildschirmrand lässt billigstes Kinderentertainment fürchten. Doch der Nachwuchs mault zurück: „Das ist Angela. Die ist cool.“
Kinder haben ein gutes Gespür dafür, was sich zu sehen lohnt. Nachdem sie vor Jahresfrist bereits die „Rugrats“ und „Arnold“ durchgesetzt haben, gibt es nun wieder einen festen Sendetermin: wochentäglich 18.45 Uhr läuft die kanadische Animationsserie „Angela Anaconda“. Erzählt wird aus dem reichhaltigen Kalamitätenschatz der achtjährigen Angela, einer spindeldürren Anarchistin mit Schnittlauchhaaren.
Angela ist der Freigeist ihrer Grundschulklasse. Sie ist schlau und motiviert – und doch immer nur die Zweitbeste. Wie im richtigen Leben gibt es auch in ihrer Klasse unter Führung der schrillen Mrs. Brinks zwei Fraktionen. Auf der einen die – von Mrs Brinks unbarmherzig gemaßregelten – Outlaws um Angela Anaconda: der schlicht gestrickte Einwanderersohn Johnny Abatti, die pummelige Feinschmeckerin Gina Lash sowie der asthmatische Sportlehrersohn Gordy Rhinehart. Auf der Gegenseite glänzt die goldlockige Oberstreberin Nanette Manoir, französisch parlierend, stets umschwirrt von ihren beiden Claqueurinnen Geraldine und Charlene sowie innig geliebt von Mrs. Brinks.
Vor diesem Tableau kommt es zu für Angela erniedrigenden Situationen wie etwa der des alljährlichen Klassenfotos. „Die Großen nach hinten, die Hübschen nach vorn“, befiehlt Mrs. Brinks und drapiert Nanette in der erste Reihe. Von Angela ist gerade noch die Ponyfrisur zu erkennen. Was immer die anarchische Sommersprosse auch unternimmt, um Erfolg zu haben – die intrigante „Ninnie-Kuh“ ist schon da und verspottet die gebeutelte Verliererin.
Doch es gibt auch eine Gerechtigkeit. In jeder Folge folgt auf den Anfangskonflikt der zweite Akt mit Angelas Tagträumen. Und da kennt sie keine Gnade: Hier wird „Nanette Pissoir“ zur Erniedrigten und Beleidigten, und auch Mrs. Brinks zahlt den Preis für ihre Herzlosigkeit. Goldlocken werden abgeschnitten, schwerste Erkrankungen halluziniert, üble Rachefantasien nehmen Gestalt an. In jeder Folge muss die Streberin büßen – ein Moment der Genugtuung, der kindliche Fernsehzuschauer vor Schadenfreude schaudern lässt. Offenbar kennen Menschen wirklich jeden Alters eine Nanette Manoir.
Einen Reiz der mit zahllosen Preisen überhäuften Serie macht sicher auch die ungewöhnliche Animation aus. Die Figuren sehen aus, als seien sie aus Pappe ausgeschnitten und sind noch dazu mit schwarzweißen Köpfen versehen. „Cut and paste“ heißt dieses Verfahren, bei dem mit Hilfe von Computeranimation die Figuren lippensynchron sprechen und Mimik zeigen können. An alles ist gedacht: Wenn Angela zornig ist, läuft auch ihr Pappgesicht dunkelrot an.
Nervig wie „Ninnie-Kuh“ ist allerdings, dass die Serie zur werberelevanten Zeit für Kinder läuft. Barbie und Käptn Iglu quatschen andauernd rein. Am besten, man nimmt sich die Zeit und schneidet ein paar Folgen werbefrei mit. Dann hat man ungestörtes Vergnügen und ist auch nicht auf wohlwollende Programmgestaltung beim Kinderkanal angewiesen.
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