Wir gehen sowieso alle drauf

Gegen die Taliban haben die Iren bisher nicht viel. Gegen die Engländer schon / von RALF SOTSCHECK

Wer in Monaghan vom Krieg spricht, meint Nordirland. Eigentlich gehört die Grenzgrafschaft historisch zum nordirischen Ulster. Aber bei der Teilung der Insel 1922 wurde sie der Republik Irland zugeschlagen – weil sonst der Anteil an Katholiken im Norden zu hoch ausgefallen wäre. Die Irisch-Republikanische Armee IRA hat im vergangenen Monat zwei ihrer Waffenlager in Monaghan zubetoniert. Afghanistan jedoch ist für die meisten Bewohner weit weg. Nur für Mary, 35, rückt es täglich näher.

Marys jüngerer Bruder Simon ist einer von 12.000 Soldaten der irischen Berufsarmee. „Es ist eigentlich ein Traumjob“, sagt Mary. „Man wird mit Mitte 30 pensioniert, kassiert Rente und kann anderswo arbeiten.“ Aber nun, kurz vor der Niederlage der Taliban, wird viel über die Zukunft Afghanistans gesprochen. „Eine Option scheint die Stationierung von UN-Truppen zu sein“, sagt Mary, „und da sind die Iren meistens dabei.“ Wie schon im Libanon. In den vergangenen 23 Jahren sind dort 47 irische Soldaten ums Leben gekommen. Für sie findet am nächsten Sonntag in der Dubliner Innenstadt eine Militärparade statt. „Mein Bruder wird mitmarschieren“, sagt sie, und bestellt sich noch einen Wodka-Cola. „Ich hoffe nur, dass sie nicht eines Tages für Simon eine Parade abhalten müssen.“

Marys Mann Conor, 39, sieht man seine Vorliebe für schwarzes irisches Bier deutlich an. „Wir gehen sowieso alle drauf“, sagt er mit seiner Baritonstimme. „Wenn die englische Atomanlage Sellafield hochgeht, sind wir geliefert. Die Europäische Union schätzt, dass es dann bis zu einer Million Tote geben wird.“ Eigentlich wollte die EU ihren Bericht geheimhalten – doch es ist durchgesickert, dass Sellafield dort als „Risiko für Gesundheit und Sicherheit“ eingestuft wird.

Nach dem 11. September hat die Regierung in London eine Luftsperrzone im Radius von zwei Meilen um Sellafield verhängt. „Das macht keinen Unterschied“, meint Conor, „es braucht keine Terroristen, um die ganze Gegend auf beiden Seiten der Irischen See zu verseuchen. Das haben die Engländer bisher auch alleine geschafft – und es stets hübsch verschwiegen.“ Doch richtig in Sorge scheint er nicht – eher beunruhigt über die näher rückende Sperrstunde.

Das Schimpfen auf die Engländer gehört in Monaghan zum Alltag. Grund genug gibt es. Die britische Armee hatte die Grenze nach Ulster Jahrzehnte lang geschlossen und so die Grafschaft von ihrem Hinterland abgeschnitten. Noch heute gehört Monaghan zu den benachteiligten EU-Regionen. Das „keltischer Tiger“ genannte Wirtschaftswunder hat sich hier kaum bemerkbar gemacht.

„Jetzt kostet uns Tony Blairs Kriegsgeilheit auch noch Geld“, sagt Conor. „Weil die Engländer in Afghanistan Krieg führen, verlangen die Reiseveranstalter in Britannien Sicherheitszuschläge auf Pauschalreisen. Und weil die meisten dieser Reisen von Irland aus über England gehen, müssen wir das bezahlen. Die Welt ist ungerecht.“ Wie gut, dass der arbeitslose Conor noch nie weiter gereist ist als bis London.

Seine Frau, die in einem Supermarkt eine halbe Stelle als Kassiererin hat, wundert sich hingegen: „Die irische Fluggesellschaft Aer Lingus muss mindestens 25 Prozent einsparen und 700 Leute entlassen. Dennoch geht sie demnächst wohl Pleite. Aber in Shannon im Westen Irlands gründen sie eine neue Fluggesellschaft.“ SkyAir, so heißt das neue Unternehmen mit Beteiligung von Aeroflot, ist keine Billigfluglinie, sondern bietet Linienflüge vor allem für Geschäftsreisende an. Ab nächstes Frühjahr sollen europäische Hauptstädte wie Paris, Rom und Berlin angeflogen werden. „Hoffentlicht nicht mit den alten Aeroflot-Maschinen“, mosert Conor. „Die stürzen unterwegs womöglich auf Sellafield.“