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Museen zu vermieten

Eine Botticelli-Ecke als blumige Ministerfantasie: Die Kulturpolitik der Berlusconi-Regierung plant die Privatisierung berühmter Museen und Kulturdenkmäler – doch die Gewinnaussichten sind gering

Die italienische Kunst gehört allen Italienern, so die weit verbreitete Meinung

von FRANK HELBERT

Alles bislang Gesagte über die Privatisierung der Museen sei eine „gigantische Fälschung“, so Giuliano Urbani, Minister für die Kulturgüter Italiens, bei einer Pressekonferenz zum Thema. Rhetorisch liegt er damit voll auf der Linie des Regierungschefs, der Kritiken ja gerne als böse Lügen der Linken abkanzelt. Er habe keine Privatisierungsabsicht, so der Minister, obwohl ein Drittel des italienischen Kulturerbes „in Kellern“ aufgehoben werde und nur ans Licht kommen könnte, wenn man Private daran beteiligen würde.

Es herrscht ein neuer Ton in der italienischen Kulturpolitik, und der klingt manchmal nach Nestbeschmutzung. Vittorio Sgarbi, Kunst- und Literaturkritiker und seit dem Regierungswechsel eloquenter Staatssekretär Urbanis und wie er Mitglied der Forza Italia, findet, dass ein privater Museumsbetreiber es „auch nicht schlimmer machen kann als der Staat, weil der Staat der Schlimme ist“. Besonders schlimm findet Sgarbi das Museum Pecci in Prato, für ihn ein „Exkrement“, andere sind nur „kriminell“, „eine Schande“, „übertrieben“ oder „wie ein Gefängnis“.

Am allerschlimmsten aber findet er diesen „Idiotenalarm“ und definiert damit zugleich ein unangenehmes Schriftstück und die Unterzeichnenden: 37 Direktoren international renommierter Museen, vom Puschkin bis zum Metropolitan, baten in einem Schreiben die italienische Regierung darum, ihre Pläne zur Teilprivatisierung von Ausgrabungen, Museen und Bauwerken ruhen und das Thema international diskutieren zu lassen. Die Haltung des Ministers gegenüber dem unangenehmen Papier: „Belehren lassen wir uns nicht.“ Die Regierung verfolgt weiter ihren im Artikel 22 des neuen Haushaltsgesetzes formulierten Privatisierungsplan und hofft auf Einsparungen von mehr als 130 Millionen Euro.

Der Plan sieht die Möglichkeit vor, Geschäftsführung und Personalverwaltung einiger Kulturgüter und daran angeschlossener Dienstleistungsbetriebe für eine Vertragsdauer von mindestens fünf Jahren an private Unternehmen zu verpachten, die sich dann über den Alltagsbetrieb hinaus um ein erweitertes Marketing kümmern würden, so Kulturminister Urbani: „Wenn man etwa in der Nähe der Primavera von Botticelli eine Renaissance-Ecke einrichten könnte, in der mit Musik und Kostümen der damaligen Zeit Geschichte verständlich gemacht wird, dann ist das schon ein Fortschritt.“

Ein Fortschritt à la Forza Italia, wobei die blumige Ministerfantasie offenbar nicht nur über museumspädagogische Entwicklungen der Gegenwart hinwegträumt, sondern auch noch unternehmerische Ausgangsbedingungen verschleiert. Das einzige wirtschaftlich nicht defizitäre Kulturdenkmal Italiens ist das Kolosseum, das viel geringere jährliche Ausgaben hat als die etwa 20 Millionen Mark, die es jährlich einnimmt. Seien es ansonsten die Uffizien, sei es Pompeji – trotz um 50 Prozent gestiegener Einnahmen der Museen und 20 Prozent mehr Besuchern in den vergangenen fünf Jahren schreiben alle anderen staatlich verwalteten Kulturstätten rote Zahlen. Hier unterscheidet sich die Wirklichkeit der italienischen Museumskultur von der amerikanischen, die den Gesetzesvorschlag Urbanis offenbar inspiriert hat. Doch in Italien gibt es nicht das Mäzenatentum und die Kulturstiftungen amerikanischer Prägung und auch nicht die dazugehörigen Steuererleichterungen.

Das Vermächtnis italienischer Kultur besteht auch nicht vorwiegend aus gekaufter Kunst, sondern es ist eine Kultur und Tradition, die geradezu im besitzhaften Sinne das Erbe des italienischen Volkes ist – die italienische Kunst gehört allen Italienern, so die weit verbreitete Meinung, und dementsprechend nah oder alltäglich der Umgang mit oder das Leben innerhalb der Kunst aus der Vergangenheit. Eine zukünftig private Geschäftsführung eines vormals staatlichen und defizitär wirtschaftenden Kulturdenkmals wird für das Objekt Miete an den Staat zahlen, das Defizit ausgleichen müssen, sich an die Sicherheitsbestimmungen und an die wissenschaftlichen Vorgaben des immer noch letztverantwortlichen Staates halten müssen. Und sie wird Profit machen wollen, aber wie über das schon Mögliche hinaus? Denn schon 1993 wurde das Ronchey-Gesetz verabschiedet, das die Freigabe von museumsbegleitenden Strukturen wie Book-Shops, Restaurants oder Cafés an private Investoren einleitete, heute erfolgreiche Praxis in 89 von knapp vierhundert Museen, die direkt dem Ministerium zugeordnet sind. Urbani sieht seine Pläne dementsprechend als eine „konsequente Fortsetzung dieses Gesetzes“ an, obwohl etwa die diesjährigen Träger des Wirtschaftnobelpreises in ihren Arbeiten schon seit Jahrzehnten zeigen, dass ein solch privates Engagement im Kulturellen dem verfassungsgemäßen öffentlichen Angebot von Kultur zuwiderläuft.

In diesem Sinne sind die Warnungen der Opposition und der Intellektuellen aus Italien und dem Ausland zu verstehen. Giovanna Melandri, in der vorherigen Mitte-Links-Regierung im Amte Urbanis, kritisiert den Haushaltsplan nicht nur mit Blick auf den Artikel 22, sondern auf die Finanzierung der Kultur insgesamt: „Es sollen etwa 500 Millionen Mark weniger ausgegeben werden als im Vorjahr, die Zuschüsse aus den Lotto-Einnahmen sind verringert worden und die 270 Millionen Mark zur Steuerbefreiung privater Investitionen im Kulturbereich fallen weg.“ Henri Loyrette, Direktor des Louvre und Mitunterzeichner der Petition an die italienische Regierung, widersetzt sich nicht der Zusammenarbeit mit Privaten, betont aber den ganzheitlichen Aspekt der Arbeit im und für das Museum, und das sei schließlich „kein Supermarkt, auch nicht im dazugehörigen Buchladen. Wir wollten uns nicht in italienische Angelegenheiten einmischen, sondern nur darauf hinweisen, dass auch in Amerika die Museen Einrichtungen ohne Gewinnabsicht sind.“

Nach einer plakativen Übernahme einer bekannten kulturellen Einrichtung sieht es zurzeit in Italien aber gar nicht aus, auch wenn die Agnelli-Gruppe schon als potenzieller Interessent für Pompeji gilt, selbst wenn hier die jährlichen Einnahmen etwa die Hälfte der jährlichen Investitionen ausmachen. Zu erwarten ist eher, dass auch dort, wo eine Zusammenarbeit von privaten und öffentlichen Trägern für das Museum gut wäre, sie nicht stattfinden wird, weil die Gewinnaussichten zu gering sind. Ein erstes Beispiel gibt es schon, es ist das neue Museo dell’ Heraion bei Paestum, dessen Einrichtung 2 Millionen Mark gekostet hat und dessen Geschäftsführung und Übernahme in den ersten zwei Jahren sogar mietfrei an einen privaten Interessenten abzugeben wäre. Doch es scheint sich nicht zu lohnen, Bewerbungen kamen jedenfalls nicht.

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