Ende des Dramas auf den Philippinen

50 Geiseln sind frei. Doch in Mindanao schwelt der Konflikt zwischen muslimischer Minderheit und Manila weiter

PEKING taz ■ Er träumte von einer zehnspurigen Autobahn um die Insel Jolo und einem Containerhafen vor der Küste desEilandes. Misuari hatte große Pläne für die Autonomie der muslimischen Region in Mindanao, dem Süden der Philippinen.

Geworden ist daraus nichts. Nur das einsame Betonskelett einer Brücke am Strand von Jolo zeugt von den Visionen des ehemaligen Gouverneurs. Die Region gehört nach wie vor zu den ärmsten und rückständigsten Gebieten der Philippinen. Hier herrscht Krieg zwischen Armee, muslimischen Rebellen und Banditen. Die Kidnappertruppe Abu Sayyaf hält derzeit zwei amerikanische Missionare und eine philippinische Frau auf der Insel Basilan gefangen. Letztes Jahr entführte sie Dutzende von Touristen und Journalisten.

Der jüngste Akt des Dramas von Mindanao ging gestern zu Ende: Aufständische Anhänger Misuaris nahmen am Montag in Zamboanga über fünfzig Geiseln gefangen und ließen sie erst frei, nachdem die Armee ihnen ungehinderten Abzug gewährt hatte.

Die Vorgeschichte: Misuaris Anhänger hatten gewaltsam versucht, die Wahlen vom vergangenen Montag zu verhindern, bei denen ein neuer Gouverneur für das muslimische Autonomiegebiet bestimmt werden sollte.

Die Rebellen gehörten zu einer Gruppe der philippinischen Armee, die nach dem Friedensschluß zwischen der Regierung und Misuaris „Moro National Liberation Front“ (MNLF) 1996 in die Regierungstruppen eingegliedert worden war. Damals hatte Misuari mit Manila eine Autonomie für Teile des überwiegend muslimischen Mindanao vereinbart.

Doch die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung trogen. Die neue Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo steht vor den Trümmern der Aussöhnungspolitik, die ihr Vorgänger Fidel Ramos eingeleitet hatte. Zum einen schlossen sich nicht alle muslimischen Aufständischen dem Friedensabkommen an. Zum anderen brach die Regierung in Manila das Versprechen, der Region großzügig zu helfen.

Hinzu kam, dass der frühere Politikprofessor und langjährige Rebell Misuari sich als unfähig erwies, für die Bevölkerung zu sorgen. Millionen Pesos verschwanden auf dunklen Wegen. Misuari selbst, so der Vorwurf, hielt sich öfter in Luxushotels in Manila und im Ausland auf als bei seinen Leuten im Süden.

Misuari warf Manila Betrug vor: Die Regierung habe ihm nie die Eigenständigkeit gewährt, die sie versprochen hatte. Deswegen wollte er auch die Wahlen verhindern, die nach seiner Ansicht gegen den Vertrag von 1996 verstießen. Seine Gegner halten dies nur für einen Vorwand. Mit dem neuen Aufstand habe er nur seine Niederlage verhindern wollen, da der Gegenkandidat, Farouk Hussein, beliebter war.

Nach der gescheiterten Meuterei war Misuari Anfang der Woche nach Malaysia geflohen. Dort schnappte ihn die Armee. Kuala Lumpur kündigte die Auslieferung an. Doch Präsidentin Arroyo will ihn nicht. Ein Prozess, so fürchtet sie, wird den Konflikt zwischen der muslimischen Minderheit und der Regierung verschärfen. JUTTA LIETSCH