: Besuch in der Festung bei Masar-i Scharif
Schwierige Spurensuche in der Festung bei Masar-i Scharif. Nach Blutbad stellen sich drängende Fragen
MASAR-I SCHARIF afp ■ Der Hof der Festung von Masar-i Scharif ist übersät mit den Fetzen explodierter Raketen. Ein Panzer der Nordallianz schleppt einen stecken gebliebenen Lastwagen ab. Rücksichtslos zermalmen seine Ketten die Leichen getöteter Kämpfer. In die verschütteten Gewölbe trauen sich die Sieger nicht recht, weil sie dort mit Selbstzündern präparierte Tote oder überlebende Gegner vermuten. Nach dem Blutbad im Norden Afghanistans stellt sich die drängende Frage, was wirklich dort geschah: eine Revolte, ein Massaker oder selbst gewähltes Märtyrertum? Kritische Stimmen mehren sich. Doch inmitten von Chaos und Propaganda ist die Spurensuche schwierig.
Gesichert scheint, dass es sich bei den meisten Toten um muslimische Freiwillige handelt, die auf Seiten der Taliban kämpften. Sie hatten nach tagelangen Kämpfen um Kundus kapituliert und sich in die Festung begeben. Pakistaner, Tschetschenen, Araber und Usbeken seien dabei gewesen, sagt General Abdulatif, ein Kommandeur der mit den USA verbündeten Nordallianz. „Insgesamt haben wir 450 getötet. Keiner von ihnen war bereit, sich zu ergeben.“ 45 bis 50 Kämpfer der Nordallianz verloren ihr Leben in der viertägigen Schlacht. Nach Darstellung von CIA-Chef George Tenet hatten sich die Gefangenen zunächst ergeben, brachen dann jedoch ihr Kapitulationsversprechen. Zwei Agenten des US-Geheimdienstes wollten die Kämpfer verhören. Der 32-jährige Johnny Michael Spann kam dabei um; seine Leiche wurde inzwischen geborgen. Die Gefangenen seien auf Mord aus gewesen, sagt Tenet. „Wir mussten sie töten“, sagt General Abdul Raschid Dostum. Zumindest eine unabhängige Stimme stützt die Version, dass die Gewalt von gefangenen Kämpfern ausging. General Dostum habe tatsächlich die Absicht gehabt, das Leben der Gefangenen zu schonen, berichtet Olivier Martin vom Roten Kreuz.
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