■ H.G. Hollein: Kein Einlass
Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Freundin, die ist ein rechter Brausekopf. Das führt sie bisweilen in verzwickte Situationen. H. weilt zurzeit in Paris, woselbst wir uns mit ihr in unserer Ferienwohnung verabredet hatten. Nun gibt es in Paris keine Klingeln mehr an den Haustüren, sondern nur noch Codes. Somit ist es für den erfolgreichen Parisbenutzer unerlässlich, neben PIN-, Telefon- und sonstigen Nummern auch die Türcodes sämtlicher Bekannten parat zu haben. H. – bereits ganz die gehetzte Pariserin – war es zwar noch gegeben, die Hausnummer unseres Domizils zu erinnern, alle anderen Daten – Stockwerk, Name des Vermieters und eben besagter Türcode – blieben trotz intensiver mnemotechnischer Anstrengungen in den tieferen Windungen ihres Hirns verborgen. Aber für genau solche Fälle hat frau ja ein Handy. Allein, H. – deren urbaner Instinkt sie bereits verleitet hatte, zunächst einmal die Metro in die falsche Richtung zu nehmen – stellte nach einem souveränen Griff in die Handtasche fest, dass sie dieses nützliche Utensil an einem zweifellos sicheren Platz in ihrer Wohnung abgelegt hatte. Und damit auch die Nummer unseres Handys. Aber H. ist nicht auf den Kopf gefallen und entschloss sich, eine Freundin in der Heimat anzurufen, die ihr diesbezüglich weiterhelfen konnte. Frohgemut steckte H. also ihre Telefonkarte – die hatte sie immerhin bei sich – in den nächsten Fernsprecher, um umgehend darauf hingewiesen zu werden, dass die geringe Anzahl der verbliebenen Einheiten eine Annahme des Gesprächs nicht zuließe. Labilere Psychen hätten jetzt vielleicht aufgegeben. Nicht so H. Und so ereilte mich denn ein Anruf aus Berlin, der mich in eher knappen Worten anwies, doch mal kurz vor die Haustür zu gehen, irgendwo da unten warte ein bekanntes Gesicht auf mich. Es wurde dann noch ein ganz lustiger Abend, auch wenn H. fand, sie wisse gar nicht, was es da zu lachen gebe.
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