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Vom Mehrwert des Kulinarischen

Stieltöpfe, Suppenterrinen, Schneebesen: Wer sich zum Weihnachtsfest mit geeigneten Kochutensilien ausrüsten will, hat es nicht leicht. Das Angebot der Kaufhäuser ist unbefriedigend. Was bleibt, sind Gastromärkte und einige wenige Spezialgeschäfte

Kochgeräte sind fast heilig, unantastbar,es wird mit ihnenetwas zelebriert

von MICHAEL KASISKE

Um zu Weihnachten die Tische sich unter Schwärmen gebratener Gänse und mit süßen Leckereien überfüllten Schalen biegen zu lassen, ist ein Großeinsatz in der Küche vonnöten. Ob mit der Familie oder im Kreise von Freunden: im Vorfeld des weihnachtlichen Schlemmens ist das Hantieren mit Schmortöpfen und Kasserollen in einer gut ausgestatteten Küche ein alljährliches, sozial-ästhetisches Ereignis jenseits religiöser Bräuche.

Die Utensilien zu beschaffen, die an Mutters Herd immer so selbstverständlich vorhanden waren, ist allerdings kein einfaches Unterfangen, wenn man das übliche Angebot betrachtet.

Wer professionelles Kochgerät bevorzugt, wird in den Wilmersdorfer Gastromarkt Rüffer HALO gut bedient. Der Fachgroßhandel empfiehlt sich für einem Besuch, wenn nicht allein oberflächliche Repräsentation, sondern vielmehr Stabilität und Benutzbarkeit im Vordergrund stehen.

Eine Topfserie etwa hat oben einen verstärkten Rand aus Edelstahl, der auch feste Stöße verträgt und darüber hinaus ist er einfacher zu reinigen als die üblichen Deckelränder mit dem Edelstahlring. Vom herkömmlichen Stieltopf bis zu Suppenterrinen, Schneebesen für jede Art von Handgröße und ein umfangreiches Messersortiment sind bei Rüffer HALO zu finden.

Nach der sukzessiven Reduzierung des Fachhandels im letzten Jahrzehnt bieten die Warenhäuser indes meist eine vollkommen unzureichende Auswahl. Selbst bei einem so geläufigen Gegenstand wie einem Schneidebrett hat etwa das größte Kaufhaus Berlins keine umfassende Kollektion im Angebot.

„Was das Handwerk des Kochens betrifft, haben sich die Formen der Werkzeuge in langwierigen Prozessen herausgebildet“, stellt der österreichische Filmemacher und begeisterte Koch Peter Kubelka fest und bringt auf den Punkt, warum manche Gerätschaften gut und viele einfach unnütz sind: „Für eine solch langsame Traditionsbildung ist bei der industriellen Produktionsweise keine Zeit, das heißt, die Formgebung muss augenblicklich bestimmt werden und in den genau terminierten Produktionsvorgang bereits perfektioniert eingebaut werden.“

Ein gutes Beispiel für gebrauchsschwache Küchengegenstände ist etwa meine unlängst erworbene Parmesanreibe, die den Käse zerquetscht, bei der die Reibrolle verstopft und die bei der zwangsläufig energisch werdenden Handhabung schließlich auseinander fällt. Gegessen.

In dem Fachgroßhandel und -Verleih Otto Korsukéwitz gibt es neben den Kochartikeln auch Glas und Porzellan für den Hotel- und Gastronomiebedarf. Das Stapelgeschirr „TC 100“ von Hans „Nick“ Roericht, der Klassiker der Ulmer Schule für Gestaltung, kann hier zu einem akzeptablen Preis bestellt werden, wie auch eine Vielzahl anderer Geschirre, die für durch Spülmaschinen und häufiges Eindecken strapazierenden Gebrauch konzipiert sind.

Küchenobjekte sind durch ihre kommunikative Rolle bestimmt und bekommen eine eigene Bedeutung innerhalb der Essrituale. In Deutschland sind es vor allem die Familien, die sich zum Essen versammeln. In Frankreich ist das abendliche Dinner hingegen eine gesellschaftliche Institution, die über das hierzulande schnöde „Arbeitsessen“ genannte, steuerlich absetzbare Treffen deutlich hinausgeht.

Die Formen der Kochwerkzeuge haben sich in langwierigen Prozessen gebildet

Französische Gastgeber wissen, was in der Küche passiert, wenn sie nicht sogar selbst Hand anlegen und mit erstaunlicher Geschicklichkeit aus einer kleinen Auswahl an Zutaten gute Gerichte hervorzaubern. Das macht sich ebenfalls in der Einrichtung bemerkbar, denn eine reibungslose Zubereitung unterstreicht den Mehrwert des Essens. Das heißt, je nach persönlicher Neigung mit oder ohne Rezept fantasievoll in der Küche wirken zu können. Der Hobbykoch Kubelka stellt die These auf, dass „das Kochen in den Kunstgattungen eine ganz besondere Position einnimmt, weil ja in den anderen Disziplinen wie Dichtung, Malerei, Musik nicht tatsächlich Wirklichkeit eingebracht wird, sondern nur Bilder oder Assoziationen zur Wirklichkeit gegeben werden“.

Den kulturellen Inhalt des Kochens greift ein zweimal in Berlin vertretener Küchenladen auf und nennt sich daher „Coledampf’s Cultur Centrum“. Wie die beiden bereits erwähnten, an eine professionelle Klientel gerichteten Anbieter ist Coledampf’s Angebot von einwandfreier Funktion, vor allem aber auch von gutem Design bestimmt. Ein Beispiel ist das exklusiv aus Italien importierte Topfprogramm, das eigentlich für Restaurantküchen entworfen wurde und hier zu einem angemessenen Preis angeboten wird.

Daneben sind freilich auch Töpfe der Luxusklasse zu finden, die vom finnischen Hersteller Hackman produziert werden. Leider wurde die bevorstehende Umstellung auf den Euro bereits vorweggenommen und führte zu einer derartigen Preiserhöhung, dass selbst gut Verdienende sich diese Anschaffung für das Weihnachtsgeld aufsparen. Keine Frage ist allerdings, dass mann eine Anschaffung fürs Leben getätigt hat, wenn man einen der Hackman-Töpfe erwirbt. Ist er mal etwas stark angebrannt, so schwärmt ein Hackman-Fan, kann der Topf auf der Werkbank eingespannt und neu ausgeschliffen werden – Material und Festigkeit hielten dem mühelos stand.

Wer dem Modedesigner Jean-Charles de Castelbajac folgt, kommt beim gemeinschaftlichen Kochen am 24. Dezember doch noch in den Genuss von Religiösem, freilich leicht abgewandelt. „Für mich sind Kochgeräte fast ein wenig heilig, unantastbar“, meint der passionierte Connaisseur der Gaumenfreuden, denn „es wird mit ihnen etwas zelebriert“. Nur wenn bis dahin noch was angeschafft werden muss, sollte die Bescherung vor der Essenszubereitung stattfinden. Die Freude am Kochen und Essen sollte diese Ausnahme schon wert sein.

Coledampf’s Cultur Centrum KG, Uhlandstraße 54, Berlin-Wilmersdorf sowie Wörther Straße 39, Berlin-Pankow, www.coledampfs.de. Kochgeräte für Profis: Otto Korsukéwitz GmbH, Westfälische Straße 67–69, Berlin-Wilmersdorf, www.korsukewitz.de sowie Rüffer HALO GmbH, Landhausstraße 17, Berlin-Wilmersdorf.

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