: Am Anfang ist der Taschenrechner
„Riester-Rente“: Die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge kann Vorteile bringen. Besserverdienende sollten auch andere Varianten prüfen, mit denen sie flexibler vorsorgen können. Zulagen gibt es erst für Beiträge des nächsten Jahres
Im Januar 2001 beginnt eine neue Epoche in Sachen Altersvorsorge: Das bisherige Rentensystem lässt sich nicht mehr finanzieren. Es beruhte allein auf einem Umlageverfahren. Mit der Einzahlung von Rentenbeiträgen in die Kasse erwirbt jeder Arbeitnehmer das Recht auf spätere Rentenzahlung. Der Haken: Das Geld wird nicht etwa Gewinn bringend angelegt, sondern sofort wieder an die Rentenempfänger ausgezahlt („Generationenvertrag“): Die Jüngeren zahlen die Renten der Älteren.
Dieses System von Einzahlung und gleichzeitiger Entnahme funktioniert aber nur, wenn das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentenbeziehern einigermaßen ausgeglichen ist. Es droht aber zu kippen. Durch die höhere Lebenserwartung sowie sinkende Geburtenzahlen, so errechneten Statistiker, müsste im Jahr 2030 jeder Beitragszahler einen Rentner finanzieren. Weil die Rentenbeiträge von jetzt 19,1 Prozent nur um wenige Prozentpunkte steigen sollen, wird das Rentenniveau sinken. Derzeit liegt es bei 70 Prozent des letzten Nettolohns, erwartet werden 67 Prozent – oder weniger. Rein rechnerisch könnte auch davon sicher noch so mancher ganz gut leben. Die Falle: Die Rechnung geht allein für den Standard-Muster-Deutschen auf, denn das „Rentenniveau“ ist nur ein Durchschnittswert.
Die gesetztliche Rente von 70 Prozent erhält nur, wer 45 Jahre lang gearbeitet hat. Beispiel: Um mit der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Standardrente von knapp 2.200 Mark zu kommen, müsste man 45 Jahre lang Beiträge zahlen und ein durchschnittliches Einkommen beziehen, das im Jahr 2000 bei monatlich rund 4.500 Mark brutto im Westen lag sowie bei 3.700 Mark im Osten. Liegt diese Voraussetzung vor, kann man mit 48,58 Mark (42,26 Mark) monatlicher Rente pro Beitragsjahr rechnen. In diesem Jahr ist der Wert leicht gestiegen. Deshalb stand auch schon bisher die Altersvorsorge auf drei Säulen: gesetzliche Rentenversicherung, private Vorsorge und betriebliche Vorsorge. Mit der im Mai 2001 beschlossenen Rentenreform sollen die zweite und die dritte Säule gestärkt werden. Damit zieht sich der Bund weiter zurück, der Einzelne muss jetzt aktiv werden. Ab Januar 2002 gibt es zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge finanzielle staatliche Unterstützung.
Demnach kann jeder, der Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zahlt, gefördert werden. Einen Zwang wird es aber nicht geben, die Zusatzrente ist freiwillig. Wer sich zum Abschluss eines Vertrags zur privaten Altersvorsorge entscheidet, kann nur dann mit staatlichen Zuschüssen rechnen, wenn er selbst einen Teil seines Lohnes investiert. Um die volle Zulage zu erhalten, muss man ab 2002 mindestens ein Prozent (maximal 1.027 Mark jährlich) des sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommens in einer betriebliche Altersvorsorge, einem Banksparplan, einem Investmentfonds oder einer Versicherung anlegen. Dieser Eigenanteil steigt bis zum Jahr 2008 auf vier Prozent (maximal 4.107 Mark).
Der Staat zahlt die Zuschüsse nicht für beliebige Vorsorgeprodukte, sondern nur für solche, die vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) „zertifiziert“ sind. Die Zertifizierungsstelle prüft jedoch nicht die Konditionen des Vertrages, sondern nur, ob die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für die staatliche Förderung erfüllt sind. Das Zertifikat ist keine Garantie für Rendite und Qualität (siehe nächste Seite).
Die Förderung beginnt im Jahr 2002 mit 75 Mark und erhöht sich bis zum Jahr 2008 auf 300 Mark pro Jahr. Für Eltern erhöht sich der Zuschuss je Kind von zunächst 90 bis auf 360 Mark pro Jahr. Beantragt werden die staatlichen Zuschüsse rückwirkend, also erstmals Anfang 2003. Das heißt: Beiträge, die bereits im Jahr 2001 in ein Altersvorsorgeprodukt investiert wurden, sind nicht zuschussberechtigt. So wird auch der Rat vieler Verbraucherschützer verständlich, dass man sich mit dem Abschluss eines Vertrages ruhig noch Zeit lassen kann, ja sogar sollte, denn die Zertifikate werden erst jetzt im Dezember mit Wirkung zum Januar erstellt – es gibt sie zur Stunde schlechterdings noch nicht. Erst im nächsten Jahr lassen sich die Angebote miteinander vergleichen.
Zwar sei es möglich, dass ab 2002 auch Altersvorsorgeverträge gefördert werden, die heute bereits bestehen oder im Laufe des Jahres 2001 noch abgeschlossen werden, heißt es bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). „Um die Förderung zu erhalten müssen diese Verträge aber auch den Förderkriterien entsprechen“, also nachträglich vom BAV zertifiziert werden.
Ob es überhaupt sinnvoll ist, einen privaten Altersvorsorgevertrag abzuschließen, kann nur im Einzelfall anhand des Einkommens und etwaiger bestehender anderer Vorsorgemöglichkeiten, beispielsweise Aktien- oder Immobilienvermögen, geprüft werden. Den Vorteilen der staatlichen Förderung sowie der Transparenz, die Anbieter garantieren müssen, stehen nach Expertenmeinung auch einige Nachteile gegenüber. So kann nach Renteneintritt die angesparte staatliche Förderung nicht vererbt werden. Auch fehlt das eingezahlte Geld womöglich bei einer Investition in eine Geldanlage, die weit mehr Rendite bringt. Zwar kann bei Bedarf ein Vorsorgevertrag gekündigt werden, das eingezahlte Geld wird dann zurückgezahlt. Dabei geht jedoch die staatliche Förderung verloren. Als weiterer Nachteil wird bemängelt, dass die Rentenauszahlungen zu versteuern sind, denn sie stammen aus zunächst unversteuertem Einkommen. Geringverdiener können mit der „Riester-Rente“ auf der richtigen Seite sein, während Besserverdienende auch andere Varianten prüfen sollten, um flexibler für das Alter vorzusorgen. Vor Abschluss eines Vorsorgevertrages heißt es also zunächst: rechnen. ALO
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