Rote Karte für das Lästermaul

Der radikale Bauernführer Andrzej Lepper ist nicht länger Vizepräsident des Parlaments. Er wurde abgesetzt

In Polen wimmelt es nur so von Kanaillen, Faulenzern und Idioten. Jedenfalls dann, wenn man dem radikalen Bauernführer Andrzej Lepper (47) Glauben schenken will. Für den Chef der drittgrößten Partei im Sejm, dem polnischen Parlament, der Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung), ist der Außenminister eine „Kanaille“, der Staatspräsident ein „Faulenzer“ und der Notenbankpräsident ein „Idiot“.

Hatte das politische Establishment bisher nur mit einem vieldeutigen Tippen an die Stirn auf die Beleidigungen des Bauernführers reagiert, so war diesmal das Maß endgültig voll. Am Donnerstagabend setzten die Abgeordneten Andrzej Lepper als stellvertretenden Parlamentspräsidenten ab. „Wir haben uns geirrt“, meinten die meisten Abgeordneten reumütig. Denn vor wenigen Wochen erst hatten sie Lepper gewählt, um das berüchtigte „Lästermaul“ mit der Würde des Amtes zu bändigen. Doch der Bauernrebell, der über hundert Gerichtsverfahren wegen Beleidigung, illegalen Grenzblockaden und nicht zurückgezahlten Krediten am Hals hat, schert sich offensichtlich nicht um Amt und Würden.

Die Umfragen scheinen dem Exkommunisten, der mit seinem 80-Hektar-Hof keineswegs zu den Kleinbauern gehört, Recht zu geben. Mit seiner antieuropäischen Angstmache und den saftigen Beleidigungen vom Rednerpult des Parlaments aus peitscht Lepper nicht nur die Stimmung in Polen auf, er sammelt auch neue Anhänger. Erreichte die Samoobrona bei dem Wahlen im September noch 10,2 Prozent der Stimmen, so wären es heute bereits über 12 Prozent.

Das verharmlosende Wort „politische Folklore“ nimmt heute kaum noch ein liberaler Politiker in den Mund. Denn tatsächlich werden die rechtsradikalen und klerikal-fundamentalistischen Parteien in Polen langsam gefährlich. Bei den letzten Parlamentswahlen sind allein vier radikale Partein in das polnische Abgeordnetenhaus eingezogen.

Lepper selbst hat einmal der Gazeta Wyborcza, der größten Tageszeitung Polens, gegenüber bekannt, dass er viel vom Propagandaminister des Dritten Reichs gelernt habe. „Goebbels hat Hitler gezeigt, wie er stehen soll, wie er die Hand heben soll, wie er sich ans Volk wenden soll, wie und wo er was tun soll.“

Sonst hält der „Führer“, wie ihn viele polnische Bauern nennen, nicht so viel von den Deutschen: „Für uns sind nicht die Juden das gefährlichste Volk, sondern die Deutschen.“ Die nämlich wollten mit Macht zurück in die ehemaligen deutschen Ostgebiete. Und was die Deutschen nicht mit Gewalt bekommen könnten, würden sie sich eben mit dem Scheckbuch holen. Der Ausverkauf des Landes habe bereits begonnen.

Auch Lepper wohnt und wirtschaftet auf einem früheren deutschen Bauernhof. Dass der neue Außenminister Polens es gewagt hatte, in Brüssel von der bisherigen Forderung nach einer Übergangsfrist von 18 Jahren für den Landerwerb von Ausländern in Polen abzugehen, kam für Lepper einem Vaterlandsverrat gleich. Daher wollte er auch von der Beleidigung „Kanaille“ für den Außenminister nicht abrücken.

Die Nacht seiner Abberufung nutzte Lepper denn auch dazu, um sich noch einmal als Ehrenmann und Kämpfer der Entrechteten unter lauter Verbrechern und Verrätern zu inszenieren.

GABRIELE LESSER