Typischer Afghane

Wie Oppositionelle mit der Presse zu reden versuchten und vom Hotelmanager daran gehindert wurden

KÖNIGSWINTER taz ■ Ein Anruf vom Petersberg. Ein UNO-Delegierter bietet an, ungewöhnliche Afghanen zu treffen. Es gebe da eine der Öffentlichkeit bisher unbekannte fünfte Gruppe bei der Konferenz: die demokratische Opposition im Untergrund. Sie sei mit Beobachterstatus eingeladen worden. Jetzt wolle sie sich mit ausgewählten Journalisten in deren Hotel treffen.

Kurz darauf entsteigen fünf Männer einem Kleinbus und betreten die Hotellobby. Einer von ihnen ist mit seinem traditionellen langen Gewand und der typischen Wollmütze unschwer als Afghane zu erkennen. Deshalb richten sich sofort Fernsehkameras auf die Gruppe. In der Lobby hängen immer Kameraleute herum, die auf Bilder warten, in denen Afghanen dem Klischee entsprechend aussehen. Sofort bildet sich eine 30-köpfige Menge. Ein Angestellter lässt sich erweichen und schließt den Frühstücksraum auf, damit dort ein Pressegespräch improvisiert werden kann.

Als Saminullah Safi von der „Nationalen Einheit Afghanistans“ stellt sich der Erste vor, ein kleinerer älter Mann. Der Zweite heißt Ahmad Nadery, ist 27 Jahre alt, nennt sich Vertreter einer Generation, die nur den Krieg kennt. Er gehört zur „Volkspartei für Frieden und Fortschritt“. Der Dritte ist der Mann mit der Wollmütze, er nennt sich General Jawed Kohestan und gehört zur „Bewegung für Freiheit und Demokratie“, zugleich ist er der Sprecher der Schura der Provinz Paktia, wo die Taliban von der Bevölkerung entwaffnet wurden. Zaman Gul Dehati vertritt die „Koalition der Kämpfer für Frieden und Fortschritt“ und Ahmad Zia Aryayee die „Republikanische Partei Afghanistans“.

Von hinten drängen die Journalisten, recken aus der zweiten, dritten und vierten Reihe Mikrofone nach vorn, als der junge Nadery erklärt: „Wir sind optimistisch über den bisherigen Verlauf der Gespräche. Wir hoffen, dass die Nordallianz dem Einsatz von UNO-Soldaten zustimmt.“ Einige Journalisten protestieren, weil ein im deutschen Exil lebender Afghane, der freundlicherweise übersetzt, nur des Deutschen und nicht des Englischen mächtig ist. Doch die Lage beruhigt sich, nach zehn Minuten hat sich der Journalistenpulk reduziert, ein Gespräch kann sich entwickeln. Aber plötzlich steht der Hotelmanager im Raum, hinter ihm bauen sich drei Polizisten mit umgehängter Maschinenpistole auf, die bisher vor dem Hotel Wache schoben. „Verlassen Sie den Raum, so geht das nicht, hier auf Tische zu steigen!“ Der Einwand, die Situation sei doch jetzt ruhig, zählt nicht. „Verlassen Sie den Raum! Gestern schon sind Angestellte bedroht worden.“ Die Vertreter der afghanischen Demokratiebewegung sind irritiert. Er sei in friedlicher Absicht nach Deutschland gekommen und protestiere dagegen, vom Militär hinausgeworfen zu werden, empört sich einer beim Anblick der Maschinenpistolen. SVEN HANSEN