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„Geht’s raus und spielt’s“

Ein bisschen Schweineglück bei der Auslosung und Rudi Völler als Teamchef – bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea kann der Sieger eigentlich nur Deutschland heißen

von FRANK KETTERER

Vorspiel

Rudi konnte sein verdammtes Schweineglück noch gar nicht fassen: Saudi-Arabien, Irland, Kamerun – immer wieder murmelte er die Namen der Länder, die er bisher nur aus dem Neckermann-Reisekatalog kannte, vor sich hin, und dabei kicherte er fast so fistelig, wie Jürgen Klinsmann, mit dem er einst Weltmeister geworden war, es gerade im Fernsehen getan hatte. Als sich die Kameras aber auf ihn, der Republik glücklichsten Teamchef, richteten, hatte sich Rudi längst schon wieder gefangen. „Es ist keine schwache Gruppe“, hörte er sich nun selbst flunkern. Dann, als die Reportermeute schon wieder weitergezogen war, setzte Rudi wieder sein Grinsekatzen-Grinsen auf.

Deutschland – Saudis 0:0

(Samstag, 1. Juni, 13.30 Uhr)

Rudi ist sauer – und das gleich aus doppeltem Grund: Zum einen haben diese miesen, kleinen Japaner ihn und seine Mannschaft fürs erste Spiel an den obersten Fleck ihres komischen Landes verfrachtet, quasi an den Arsch der Fußball-Welt, nach Sapporo also; zum anderen sind die Tipps, um die der Teamchef bei Berti, einem seiner ruhmreichen Vorgänger und seit kurzem Fachmann für Wüsten-Fußball, angefragt hatte, nicht rechtzeitig angekommen. Nur gut, dass sich Rudi noch an ein Wort eines seiner anderen Vorgänger erinnert, das er nun auch seinen Jungs mit auf den Weg gibt: „Geht’s raus und spielt’s!“ Ballack und Kollegen machen das, so gut sie können und durchaus mit Erfolg: 0:0 heißt es am Ende.

Deutschland – Irland 4:3

(Mittwoch, 5. Juni, 13.30 Uhr)

Bereits nach dem ersten Spiel muss Rudi Konsequenzen ziehen, schon weil die Jungs von Bild das so gefordert haben: „Ab mit euch in die Wüste“, hatten die nach dem Auftaktmatch nämlich geschrieben – und da will Rudi nun überhaupt nicht hin, schon weil Berti bereits dort ist. „Diesmal müssen wir aber auf Sieg spielen“, bläut Rudi seiner Elf deshalb ein – und lässt mit Jancker, Zickler, Neuville und Bierhoff gleich vier Stürmer stürmen. Entsprechend fallen die Tore, schon zur Pause steht es 3:0 – für Irland. Erst als DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder zur Pause persönlich eine Palette Whiskey in des Gegners Kabine vorbeibringt, wird das deutsche Spiel besser. Dem sturznüchternen Bierhoff ist es vorbehalten, mit vier Treffern in den letzten fünf Minuten den Sieg sicherzustellen. Einen Verlust haben die Deutschen dennoch zu beklagen: Mayer-Vorfelder hat es in der irischen Kabine so gut gefallen, dass er von seinem Amt beim DFB zurücktritt und beschließt, Ire zu werden.

Deutschland – Kamerun 0:2

(Dienstag, 11. Juni, 13.30 Uhr)

Rudi ist sich sicher: Diese Kameruner würden gefährlich sein, vor allem jetzt, da sie ihren Trainer gefeuert hatten. „Scheiße“, flucht Rudi, „ohne Winnie können die wirklich einen ganz passablen Fußball spielen. Warum haben die Schäfer nur entlassen?“ Die Antwort geben die bisher sieglosen „Löwen“ auf dem Platz, den sie mit einem 2:0-Sieg verlassen. Somit steht Saudi-Arabien als Gruppensieger fest, Rudi aber freut sich über Platz zwei und die Reise nach Südkorea.

Achtelfinale

Deutschland – Spanien 1:0

(Sonntag, 16. Juni, 13.30 Uhr)

Rudi hat es erwischt – und er weiß gleich, warum: Die so lecker duftende Hundesuppe muss es gewesen sein, die er mittags noch verzehrt hatte. Das Spiel kann er sich nur im Hotel ansehen – und auch dort nur phasenweise. Als Bierhoff in letzter Sekunde den erlösenden Siegtreffer erzielt, schreit Rudi kurz auf. Dann geht er wieder kotzen.

Viertelfinale

Deutschland – Kroatien 1:0

(Samstag, 22. Juni, 8.30 Uhr)

Drei Tage hatte sich Rudi auf der Toilette eingeschlossen, nun aber geht es ihm wieder besser. Immerhin so gut, dass er mit Wörns ein Sondertraining durchziehen kann. Rudi spielt Davor Suker, Wörns bleibt Wörns und muss Rudi, also Suker, immer wieder vom Ball trennen – und das regelgerecht. Weil Wörns das nicht hinkriegt, rückt Linke in die Mannschaft – und foult Suker beim Stande von 0:0 in Minute 89 rotverdächtig, allerdings ohne dass der Schiri es sieht. Den Rest besorgt Bierhoff in der Nachspielzeit.

Halbfinale

Deutschland – Südkorea 1:0

(Dienstag, 25. Juni, 13.30 Uhr)

Rudi lädt das koreanische Team zwei Tage vor dem Spiel zwecks Entwicklungshilfe ins deutsche Mannschaftshotel ein, wo ein DFB-Koch sie mit Schweinebraten und Klößen verwöhnt. Den Spielern wird von den exotischen Köstlichkeiten so speiübel wie Rudi zehn Tage zuvor. Bis zum Spiel werden nur sieben wieder fit, was es für Deutschland einfach macht. Den Siegtreffer schießt Bierhoff in der 85. Minute.

Finale

Deutschland – England 5:1

(Sonntag, 30. Juni, 13 Uhr)

Rudi stellt bei der Fifa den Antrag, das Spiel aus revanchetechnischen Gründen in München auszutragen. Die Engländer sind damit prinzipiell einverstanden, die Fifa nicht. Das Finale muss in Yokohama stattfinden. Mit den Worten „Dann drehen wir wenigstens das Ergebnis“ schickt Rudi seine Mannen ins letzte Gefecht, aus dem sie dank fünf Treffern von Bierhoff als neuer Weltmeister wieder herauskommen.

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