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Stolterix und die Wechselfrucht

Der geplante ZDF-Medienpark neben dem Mainzer Sendezentrum kommt. Damit auch, wie vorgesehen, ab dem Frühsommer losgebuddelt werden kann, fehlen nur noch drei Kleinigkeiten: ein Hektar Ackerland, Planungssicherheit – und der Investor

aus Mainz JUTTA HEESS

Wir befinden uns im Jahre 2001 nach Christus. Der ganze Lerchenberg ist vom ZDF besetzt, das dort neben seinem Sendezentrum noch einen Medienpark bauen will. Der ganze Lerchenberg? Nein! Ein von einer unbeugsamen Bäuerin beackertes Feld hört nicht auf, den Medienpark-Planungen Widerstand zu leisten.

Dieser eine Hektar Land gehört nämlich nicht dem ZDF. Und die Besitzerin, die Witwe eines Landwirts, hat auch nicht vor, ihr Grundstück zu verkaufen. Auf den Medienpark-Entwürfen ist deshalb neben den Parkplätzen eine Grünfläche – ungefähr zwei Fußballfelder groß – übrig geblieben, umgeben von weiteren Parkplätzen wie das kleine gallische Dorf von Römerlagern. Dort wird es jedenfalls kein Anfassfernsehen geben, sondern Ackerbau. Genauer gesagt: Wechselfrucht.

Auf dem Rest des 55 Hektar großen Geländes will das ZDF ab Frühsommer 2002 mit dem Bau seines Medienparks beginnen, der ab 2004 rund eine Million Zuschauer pro Jahr auf den Mainzer Hügel locken soll. Doch das umstrittene Projekt, über das nun schon dreieinhalb Jahre diskutiert wird, ist noch lange nicht in trockenen Tüchern: Vor kurzem haben sich Sender und Investor getrennt.

Dabei wurde erst im August bekannt gegeben, dass die Frankfurter Projektentwicklungsgesellschaft Hortana als Partner des ZDF und der hauseigenen Medienpark-Entwicklungsgesellschaft (MPEG) gewonnen werden konnte.

Hochglanzvision

Überhaupt sah im Sommer vieles blendend aus: Auf einer hochglanzpolierten Pressekonferenz wurden der Öffentlichkeit konkrete Pläne des geplanten Teleparks vorgestellt. Der Medienpark-Besucher könne zum Beispiel die simulierte Reise eines Fernsehsignals antreten, mit Terra-X-Forschern über wackelige Brücken kraxeln und in der Krimi-Street mit Derrick knifflige Fälle lösen. Oder einmal selbst die Nachrichten sprechen und sich danach als Sportreporter betätigen. Und sich abschließend im Hotelrestaurant, das sich im originalgetreuen Nachbau des Traumschiffs verbirgt, vom vollen Programm zum Anfassen und Mitmachen erholen. 215 Millionen Mark sollte der „attraktive Attraktionsmix“ (MPEG) kosten.

„Es ist schade, aber kein Drama, dass es mit Hortana nicht geklappt hat“, sagt jetzt MPEG-Geschäftsführer Peter Wagner. Von „Meinungsverschiedenheiten“ war die Rede, als Hortana Mitte November aus dem Projekt ausstieg, das ZDF gab sich zugeknöpft. Man habe sich geeinigt, über die Hintergründe Stillschweigen zu wahren, heißt es auch bei der Hortana. Doch in der Stadtillustrierten Der Mainzer hatte Hortana-Geschäftsführer Bernhard Orgler bereits vor der Trennung ungenügende Klarheit auf ZDF-Seite in Sachen Medienpark kritisiert. Zwar hatte Orgler sich später von der Mainzer-Darstellung distanziert, doch die dort kolportierte Befürchtung trifft den Kern des Problems, das der ehemalige Investor und die Entwicklungsgesellschaft mit Europas größter öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalt haben: Das ZDF, so Der Mainzer könne sich unter Umständen ganz aus der Verantwortung zurückziehen und seinen Part komplett der MPEG überlassen. Doch die und ihr Geschäftsführer Peter Wagner sind weiterhin optimistisch, dass sich neue Investoren finden und der avisierte Baubeginn eingehalten werden kann.

Bis der Rummel tatsächlich seine Pforten öffnet, muss das ZDF allerdings nicht nur seine momentane Investorlosigkeit bekämpfen. Seit der Mainzer Stadtrat im Juni den Bebauungsplan in Kraft setzte, läuft auch eine Normenkontrollklage gegen den Medienpark.

Planungszweifel

Die Bürgerinitiative gegen den Medienpark, die sich schon seit Beginn der Planungen gegen den TV-Jahrmarkt wehrt, hegt aus mehreren Gründen Zweifel an der Gültigkeit dieses Bebauungsvorhabens. Zum bäuerlichen Problemhektar, dessen Nutzung durch den Medienpark-Betrieb stark eingeschränkt oder sogar unmöglich würde, kommt der Umweltschutz: Ob auf dem Gesamtgebiet, das bereits naturschutzrechtlich erfasst war, überhaupt die Erlaubnis zum Bau eines Freizeitparks gegeben werden durfte, wird im Laufe des kommenden Jahres das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu entscheiden haben. Wie die Chancen für die Bürger stehen, will Günter Trautmann, Sprecher der Bürgerinitiative für juristische Fragen, nicht prognostizieren. Nur so viel: „Wir werden von einer renommierten Kanzlei in Stuttgart vertreten“, sagt er, und die würden schon kein von vornherein „hoffnungsloses Verfahren“ führen.

Durch derlei Unklarheiten wird die Suche nach weiteren Geschäftspartnern für die MPEG nicht gerade einfacher: So wird sich jeder potenzielle Investor zweimal überlegen, ob er sich auf ein Projekt einlässt, das juristisch angefochten wird.

Dem ZDF selbst sind die Hände gebunden: Als öffentlich-rechtliche TV-Anstalt darf es sich nach den Richtlinien der Europäischen Kommission nur in äußert engem Rahmen – zum Beispiel beim Verkauf von Programmware – privatwirtschaftlich engagieren. Das bedeutet, dass der Medienpark auf keinen Fall ganz oder teilweise über die Rundfunkgebühren finanziert werden darf – was das ZDF nach eigener Darstellung auch niemals vorhatte.

Intendantenkarussell

Zu diesem Ergebnis kam auch das Oberlandesgericht Koblenz, es hatte im Sommer die Wettbewerbsklage dreier Freizeitparks abgelehnt, was von ZDF-Seite als Erfolg verbucht wurde. Doch das Urteil schreibt dem Sender massive Begrenzungen vor: Der Medienpark dürfe sich nicht als klassischer Freizeitpark mit Gaststätten, Hotels und Fahrgeschäften wie etwa Achterbahnen entpuppen. Womit der beschworene Attraktionsgehalt für die Besucher – und damit auch für den Investor – wahrscheinlich auch wieder sinkt. Und schließlich ist der Medienpark so etwas wie das Abschiedsgeschenk von Dieter Stolte. Was der neue Intendant oder die neue Intendantin von dem Fernsehspaß hält, ist unklar. Friedrich Begemann von der Bürgerinitiative bringt es auf den Punkt: „Der Medienpark ist doch Stoltes Baby, und wer weiß, ob sein Nachfolger bereit ist, es zu adoptieren.“

Immerhin hält das ZDF momentan ein Fahrgeschäft kräftig in Schwung: das Intendantenkanditatenkarussell. Das dreht sich auch ohne Investor.

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