: Schulen und Unis: nicht reformierbar
Über nichts wird in Deutschland so viel und lange geredet wie über Bildung. Doch die Debatten gehen fast folgenlos am zähen deutschen Schul- und Hochschulwesen vorüber. Das müsste nicht so sein. Die Niederlande etwa reformierten ihre Bildungsanstalten über die vergangenen 30 Jahre hinweg erfolgreich: Sie führten sukzessive eine achtjährige Grundschule ein. Für die Unis entwickelten sie ein gemischtes Bafög- und Gebührensystem. Und in Schweden entschied man sich, die Trennung der Schulen zugunsten einer gemeinsamen Skola aufzuheben. Hierzulande streitet man sich seit 30 Jahren über das Gleiche. Ändern tut sich wenig.
Beispiel: Gesamtschule vs. dreigliedriges Schulwesen: In den 60er-Jahren begann die Debatte darüber, ob man das preußische Prinzip der frühen Auslese nach Ober-, Mittel und Volksschülern endlich beenden sollte. Stattdessen sollten alle Schüler möglichst lange in einer Schule zusammen lernen. Der Streit wurde nie beigelegt. SPD-regierte Länder wie Hessen und NRW gingen diesen Weg; die konservativen Südstaaten hielten immer dagegen und sortierten nach der vierten Klasse die besseren Schüler für die Penne aus. In manchen Bundesländern gibt es inzwischen Mischsysteme. Berlin etwa betreibt parallel Gymnasien und Gesamtschulen – mit verheerendem Ergebnis. Den Gesamtschulen werden durch die Gymnasien die begabteren Schüler entzogen. Der Schulneid wird wichtigstes Bildungsthema von Eltern und Schülern. Pisa wird diese ewige Schuldebatte erneut anheizen.
Beispiel Juniorprofessur vs. Habilitation: Schon in den 70er-Jahren wurde der Versuch unternommen, einen deutschen Sonderweg abzuschaffen: die Habilitation als eine Art Meisterprüfung für den deutschen Professor. Doch die Dienstrechtsreform scheiterte kläglich, weil sich erstens die für Bildung zuständigen Länder nicht einigen konnten und weil zweitens die Universitäten ihren Kompromissversuch – die Einrichtung einer Professorenlaufbahn ohne Habilitation – unterliefen. Heute, dreißig Jahre später, ist man keinen Schritt weiter. Seit eineinhalb Jahren versucht die Bundesbildungsministerin mit viel Expertensachverstand die Professorenlaufbahn durch die Einführung von – habilitationsfreien – „Juniorprofessoren“ neu zu regeln. Alle wollen, dass deutsche Professoren jünger werden – Politik, Wissenschaft, Wirtschaft. Und zuallererst die in die USA abgewanderten deutschen Spitzenforscher. Aber der Bundesrat ließ die Juniorprofessur am vergangenen Freitag durchfallen. Grund: Die Habilitation dürfe nicht wegfallen. Jetzt steht ein – für das deutsche Bildungswesen typischer – unappetitlicher Streit an: Ist der Bundestag befugt, auch ohne Bundesrat und Länder eine bundesweite Regelung einzuführen? CIF
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