: Schwedenhappen aus Berlin
Der schwedische Stromkonzern Vattenfall schluckt die Bewag. Berlin wird Sitz eines neuen Stromkonzerns. Börsinaer sind euphorisch, Gewerkschaftler fürchten Arbeitsplatzabbau
von RICHARD ROTHER
Eines muss man den schwedischen und amerikanischen Strommanagern lassen – sie sind Profis. Bisher flogen immer die Fetzen, wenn sich die Vertreter der schwedischen Vattenfall und des Südstaatenkonzerns Mirant trafen, um über die Zukunft der Bewag zu verhandeln. Diesmal haben die beiden verfeindeten Konzerne einen Milliardendeal hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, ohne dass zuvor auch nur ein Wörtchen nach außen gedrungen wäre. Sogar Eingeweihte blieben ahnungslos. „Ich war völlig überrascht, als ich die Nachricht hörte“, gestand gestern Uwe Scharf ein, der für die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di im Bewag-Aufsichtsrat sitzt.
Die Nachricht hat es in sich. Für 3,55 Milliarden Mark übernimmt Vattenfall rund 45 Prozent der Mirant-Anteile an der Bewag. Mit rund 90 Prozent halten die Schweden jetzt eine satte Mehrheit an dem Stromversorger. Mirant hat sich den Verzicht auf die Bewag – trotz monatelanger Verhandlung war kein Ergebnis über die künftige Führungsstruktur erzielt worden – mehr als vergolden lassen. Bei Privatisierung der Bewag hatte der Senat 1997 für 50,8 Prozent nur 2,85 Milliarden Mark erhalten – von dem US-Konzern Southern Energy, der sich mittlerweile in Mirant umbenannt hat.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zeigte sich gestern dennoch zufrieden: Die Einbeziehung der Bewag in die „Nneue Kraft“ auf dem deutschen Strommarkt sei eine positive Entwicklung, so Wowereit.
Mit der Übernahme der Bewag hat Vattenfall nun die Möglichkeit, im Nordosten Deutschlands einen Konzern zu schmieden, der Eon und RWE Paroli bieten kann. Sitz des neuen Konzerns soll Berlin sein, das bringt rund 100 neue Arbeitsplätze in der Stadt. Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson will Berlin gar zu einem der Gravitationspunkte des neuen Konzerns machen. Die Börsianer reagierten geradezu euphorisch auf die Übernahme: Die Bewag-Aktie stieg zwischenzeitlich um bis zu 30 Prozent.
Dennoch waren gestern in Berlin auch skeptische Stimmen zu hören. „Es wird jetzt einen starken Druck auf die Bewag geben“, sagte Ver.di-Gewerkschafter Uwe Scharf. Schon in der Vergangenheit hätten die Bewag-Beschäftigten einen enormen Personalabbau hinnehmen müssen. Verdienten 1997 noch 9.400 Berliner und Berlinerinnen ihre Brötchen bei der Bewag, so sind es derzeit nur noch rund 5.300. Der Betriebsrat der Bewag hat den Verkauf „mit Befremden zur Kenntnis genommen“. Die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze seien heute noch nicht absehbar, hieß es gestern.
„Wir müssen sehen, ob die Bewag ihre Eigenständigkeit behalten kann“, sagte PDS-Landeschef Stefan Liebich. Vattenfall habe sehr viel für die Bewag bezahlt. „Das wollen die sich irgendwo wieder holen.“
Für den Grünen-Energieexperten Hartwig Berger ist Berlin nur „vom Regen in die Traufe gefallen“. Er befürchtet, dass bei der Bewag weitere Arbeitsplätze flöten gehen könnten. Zudem seien die Berliner Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung gefährdet. „Es war ein Fehler, den kommunalen Zugriff auf die Bewag aufzugeben.“
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