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Die Türkei hofft jetzt auf eine Einladung

Ankara gibt seine Blockade der europäischen Eingreiftruppe auf. So könnte sie sich die Aufnahme von Verhandlungen zum EU-Beitritt erkauft haben

BRÜSSEL taz ■ Bevor sich der amerikanische Außenminister Colin Powell gestern auf den Weg nach Ankara machte, räumten seine Mitarbeiter einige diplomatische Brocken aus dem Weg. Der irakische Botschafter Faruk Hidschasi, der sich 1998 in Afghanistan mit Ussama Bin Laden getroffen haben soll, musste seinen Posten in der Türkei räumen. Außerdem scheint Ankara seine Blockade der EU im Nato-Streit aufgeben zu wollen.

Seit die Union im Dezember 1999 in Helsinki eine schnelle Eingreiftruppe von 60.000 Soldaten beschloss und dafür ständig den Planungsstab der Nato sowie im Einsatzfall die Kommandostruktur, die Awacs-Flugzeuge und das abhörsichere Kommunikationsnetz nutzen will, gibt es Widerstand aus der Türkei. Die türkischen Militärs leiden unter dem Albtraum, die Waffen des eigenen Bündnisses könnten sich eines Tages gegen sie richten – in den Gebieten, die sie als Einflusszone betrachten oder gar auf Zypern.

Noch Mitte November hatte ein Sprecher von Erweiterungskommissar Günter Verheugen kategorisch verneint, dass Ankara bei allen Einsätzen der EU-Krisentruppe ein Mitspracherecht erhalten könnte. Allenfalls eine Klausel, die Einsätze in Zypern ausschließt, sei denkbar. Der nun von britischen und amerikanischen Unterhändlern ausgehandelte Kompromiss scheint darüber aber hinauszugehen.

Am Sonntag konnte Regierungschef Bülent Ecevit nach zweistündigen Gesprächen mit den mächtigen Militärvertretern verkünden, den „gerechtfertigten Erwartungen in der Frage der europäischen Verteidigung“ sei zum großen Teil entsprochen worden. Das klingt nach einem Ergebnis, das der türkischen Seite weit entgegenkommt. Inzwischen liegt der Vorschlag den EU-Regierungen schriftlich vor. Die Türkei soll zwar kein förmliches Mitentscheidungsrecht bei Einsätzen der EU-Krisentruppe erhalten. Sie soll aber vorher informiert werden – auch in Fällen, wo ihre Sicherheitsinteressen nicht berührt sind. Einsätze, die die „vitalen Sicherheitsinteressen“ Ankaras betreffen, sollen nur mit Zustimmung der dortigen Regierung möglich sein. Ferner will die EU sich verpflichten, in Streitigkeiten zwischen Nato-Partnern nicht einzugreifen.

Diese Klausel bezieht sich – auch wenn das aus diplomatischer Rücksichtnahme gegenüber Griechenland nicht ausdrücklich gesagt wird – auf die griechisch-türkische Auseinandersetzung über Zypern. „Alle Augen richten sich nun nach Athen“, sagte ein EU-Diplomat gestern in Brüssel. Dort hatte man Zugeständnisse an das türkische Sicherheitsbedürfnis bislang vehement abgelehnt.

Stimmt der Nato-Außenministerrat am Donnerstag dem Kompromiss zu, könnte die europäische Eingreiftruppe beim EU-Gipfel nächste Wochen in Laeken planmäßig beschlossen werden. Ein Erfolg für beide Seiten: Europa könnte zeigen, dass seine eigenständige Verteidigungsidentität nicht schon an der ersten diplomatischen Hürde scheitert. Die Türkei könnte aus der Rolle des Störenfrieds in die des echten Erweiterungskandidaten schlüpfen. Ob dieser Rollenwechsel gelingt, wird sich ebenfalls in Laeken zeigen. Dort werden die Einzelheiten für die Arbeit des Verfassungskonvents festgelegt. Bislang ist offen, ob alle Kandidatenländer an den Beratungen beteiligt werden oder nur die, mit denen bereits verhandelt wird. Im Klartext heißt das: Die osteuropäischen Staaten, Zypern und Malta sind sicher dabei, der dreizehnte hofft noch auf eine Einladung.

DANIELA WEINGÄRTNER

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