Bang för dat Bangsien

Worauf alle schon lange gewartet haben: Erich Frieds Gedichte gibt es jetzt auch auf Plattdeutsch  ■ Von Peter Ahrens

Zwei Welten: Die Poesie von Erich Fried und die plattdeutsche Sprache. Hart prallen sie aufeinander, aus dem Aufprall entsteht ein Gedichtband. Die Kielerin Marlies Jensen übersetzt Fried-Gedichte ins Platt, und so heißt das Fried-Gedicht „Entmystifizierung des Sex“ plötzlich „Mit den Holthamer op dat sööte Geheemnis“. Das ist auch der Titel des Buches, das jetzt auf den Markt gekommen ist.

Darf man das? Darf man aus „Es ist Unsinn, sagt die Vernunft. Es ist was es ist, sagt die Liebe“ machen: „Dat is dumm Tüüg, seggt de Räsong. Dat is wat dat is, seggt de Leev“? Klingt „Wat wöör ik mi utsöken?“ tatsächlich so zart wie „Was würde ich wählen?“ Und wäre Fried so berühmt geworden, wenn er statt „Wenn ein Blick von dir, der mich streift“ "Wenn een Blick vun di de man eben mol so an mi kümmt“ geschrieben und der Titel dieses Gedichtanfanges nicht „Verwirrt“, sondern „Dörch –n Wind“ geheißen hätte?

Wahrscheinlich nicht, aber trotzdem kann das nur im Friedschen Sinne sein, wenn „Sprachlos“ zu „Verdaddert“ wird, „Kleine Störung“ zu „Belämmern“ mutiert, und „Sehnsucht“ als „Lengen“ durchgeht. Schließlich hatte der Mann was übrig für Humor und Leute, die Lebensmut geben. Fried seufzt: „Endlich fliehen aus dieser zugemuteten Zeit“. Jensen setzt dagegen: „Endli utneihen ut düsse Tiet de dat doon mag mit uns“. Dann hört sich doch schon alles gar nicht mehr so deprimierend an, und irgendwie kann man doch weiterleben.

Daher noch ein paar Kostproben:

De DwarssnabelDu seggstik dörf friesnackeneben soas duDat heek ikdörf snackenas dide Snabelwussen is

DiDi nich neeger denkenund di nich wieder denkendi denken wo du büstdenn dat is, wo du wohrafdig büstDi nich öller denkenund di nich jünger denkennich grötter nich lütternich mehr opknööpt und nich mehr toknööptDi denken und no di lengendi sehen wüllenund di leevhebbenso as du wohrafdig büst

Und als letztes: Bang för dat BangsienBang wat kümmetDenken vör Bangsien wat kümmtBang vör dat Denken wat kümmtBang vör dat DenkenWenn dat kümmtkümmt dat wegen dat Bangsienwegen dat bangsien vör dat Denkendat mi bang maakt

Erich Fried, Mit den Holthamer op dat sööte Geheemnis. Ins Plattdeutsche übersetzt von Marlies Jensen. Kiel 2001