: Gucken lohnt sich eben doch
■ Jahresausstellung Bremischer KünstlerInnen in der Städtischen Galerie
„Tri-Top“ ist kein Fruchtsaftgetränk, sondern der Titel der diesjährigen Jahresausstellung der Bremer Sektion des Bundesverbandes bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), die noch bis Ende Dezember in der städtischen Galerie zu sehen ist. Dabei handelt es sich nicht um eine Anspielung auf die Frische und Konzentriertheit der ausgestellten Kunstwerke, obwohl auch diese gepasst hätte. „Tri-top“ sagt vor allem, dass bildende Kunst hier in den drei Formen Plastik, Malerei und Medienkunst gezeigt wird.
Präsentiert wird ein Querschnitt aus den Werken von 20 Bremer Künstlerinnen und Künstlern, die von einer Jury ausgewählt worden sind. Dem BBK ist es auch in diesem Jahr ein Anliegen, qualitativ hochwertige Kunst von Bremer Künstlern ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen. Auf den passenden Platz für die verschiedenen Bilder und Installationen hat die Künstlerin und Kuratorin Anna-Solecka Zach sorgfältig geachtet.
Gleich in der Eingangshalle ist die Arbeit „Niko“ von Herwig Gillerke und Marikke Heinz-Hoek ausgestellt. Videoinstallationen auf drei Bildschirmen machen die Factory-Atmosphäre lebendig: Auf einem Bildschirm singt Nico verraucht und verloren ein Lied mit dem Titel „Nibelungenland“, auf dem mittleren Bildschirm flimmern Factory-Impressionen und rechts plaudert der Künstler Herwig Gillerkes über die Bedeutung von Nico für Andy Warhol und Velvet Underground. An der Wand steht in grober weißer Schrift „Nibelungenland“, auf der nächsten Wand sieht man plakatartige Gemälde mit Menschen, die T-Shirts mit Nico-Textzeilen tragen. Der Betrachter kann sich mit vielen Sinnen in Nico hineinversetzen.
Der nächste Blickfang sind mehrere auf Sockeln stehende Porzellanteller mit Jagdmotiven im Stil des 19. Jahrhunderts. Ralph Hinz hat sie selbst bemalt, und durch kleine feine Änderungen, wie eine zu Pferdegröße mutierte Dogge zwischen Reitern und Pferden, wird der Betrachter in Erstaunen versetzt. Dachte er wirklich, hier seinen Alltagsgegenstände wie Biedermeierteller ausgestellt? Das genaue Gucken lohnt sich eben doch. „Das ist ja auch eine der Funktionen von Kunst: Die Wahrnehmung zu verändern“, sagt Rose Pfister, Kuratorin der Galerie.
Auch die „Brilleninstallation“ von Stefanie Supplieth ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema Wahrnehmung. Auf die im Raum schwebenden Brillen sind die Augen von bekannten Künstlern geklebt. Da schaut der Besucher in die Augen, die die Welt wahrnehmen, bevor sie sie abbilden. Mit den Augen der Künstler fängt alles an, und während solcher Gedankengänge wird der Betrachter auch noch von Dutzenden Künstleraugenpaaren angegafft.
Christine Prinz beschäftigt sich mit dem Thema Selbstportrait. „Auf der Suche nach van Delft“ heißt die Reihe, in der sich die Künstlerin in einer Auseinandersetzung mit Paula Moderson-Be-cker selbst fotografiert hat. Dazu hat sie mehrere Spiegel um sich aufgebaut und einen Perspektivenwechsel inszeniert. In einem anderen Raum hängt konkrete Kunst, grelle Streifen in Öl und Akryl von Nicholas Bodde. All das sind zeitgenössische Auffassungen von moderner Kunst, wie sie von Bremer KünstlerInnen vertreten und bearbeitet werden. Anne Otto
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen