: Recht und Ordnung in Kabul
Eine internationale Truppe soll die neue Regierung in Afghanistan schützen, solange noch keine afghanische Armee existiert. Doch ihre Zusammensetzung und konkrete Aufgaben sind ungeklärt
von DOMINIC JOHNSON
Zurückhaltender kann man eine Einladung nicht formulieren. „In dem Wissen, dass die neuen afghanischen Sicherheits- und Streitkräfte einige Zeit brauchen werden, bis sie vollständig aufgestellt sind und funktionieren“, heißt es im Anhang zur Petersberger Afghanistan-Vereinbarung, „bitten die Teilnehmer der UN-Gespräche den UN-Sicherheitsrat, die Frage der Autorisierung einer frühen Stationierung einer Truppe unter UN-Mandat in Afghanistan zu prüfen.“
Das ist erst einer der letzten Punkte des Anhangs, deren erster Satz lautet: „Die Teilnehmer der UN-Gespräche über Afghanistan erkennen an, dass die Verantwortung zur Gewährleistung von Sicherheit, Recht und Ordnung im ganzen Land bei den Afghanen selber liegt.“ Aber weil die dafür nötigen neuen afghanischen Sicherheitskräfte erst noch mit „Unterstützung der internationalen Gemeinschaft“ ausgebildet werden müssen, muss erst einmal das Ausland militärisch einspringen.
Nur sehr spät und unter internationalem Druck hatte die afghanische Nordallianz überhaupt der Stationierung internationaler Truppen in Afghanistan zugestimmt. Ihr Führer Burhanuddin Rabbani, derzeit noch Präsident in Kabul, lehnte dies noch zu Beginn der Petersberger Gespräche ab, wie er zuvor schon britische Pläne zur Landung einer Schutztruppe zur Absicherung humanitärer Hilfe durchkreuzt hatte. „Die De-Facto-Administration in Kabul hat uns versichert“, sagte UN-Sprecher Fausi am Dienstag in Bonn, „dass sie in der Lage ist, Sicherheit und Recht und Ordnung für eine kurze Periode aufrechtzuerhalten.“
Auch nach Abschluss der Bonner Verhandlungen zeigte sich die Nordallianz zurückhaltend. Ihr Militärchef General Mohammed Kasim Fahim, designierter Verteidigungsminister in der Übergangsregierung, sprach sich gestern für eine möglichst kleine Einheit aus, die Regierungsgebäude bewachen solle. Ein großes Kontingent sei nicht notwendig, da sich die Sicherheitslage mit der Einsetzung der Übergangsregierung am 22. Dezember ohnehin verbessern werde. Damit sind Konflikte vorprogrammiert. In der Petersberger Erklärung verpflichten sich die afghanischen Parteien, „alle bewaffneten Einheiten“ aus Orten abzuziehen, wo die internationale Truppe stationiert wird.
Es gilt als sicher, dass vor der Einsetzung der Übergangsregierung kein Soldat mit UN-Mandat stationiert wird. Über alle Einzelheiten muss bis dahin der Sicherheitsrat entscheiden. Für die UNO fängt jetzt also die Arbeit an. Erste Beratungen über die Formulierung einer UN-Resolution sollen bereits begonnen haben. Im Laufe dieser Woche wird ein erstes Vorabteam von 17 UN-Mitarbeitern in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad erwartet, um „Unterstützungsbedarf für eine mögliche erweiterte UN-Präsenz in der Region einzuschätzen“, wie es der dortige UN-Sprecher Eric Falt sagte.
Bei der geplanten Mission geht es vermutlich nicht um eine Blauhelmtruppe, obwohl die Formulierung der Petersberger Erklärung diese Möglichkeit nicht ausschließt. Nach den UN-Debatten zu urteilen, soll eine Truppe aus nationalen Kontingenten unter UN-Mandat gebildet werden, ähnlich wie die von der Nato gestellte KFOR im Kosovo. Immer noch kursiert die Vermutung, diese Truppe solle von muslimischen Ländern dominiert oder zumindest befehligt werden.
Was ist die Aufgabe der Mission? „Diese Truppe sollte Hilfe leisten bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in Kabul und Umgebung“ und „könnte, wenn nötig, schrittweise ausgedehnt werden auf andere städtische Zentren und Gebiete“, so die Erklärung. Über Details wird später gestritten.
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