: Dem Täter leicht gemacht
■ Kein Arzt geholt, keine Kripobeamtin im Dienst: blaugeschlagene Polin wurde festgenommen, aber kein Arzt kam zur Spurensicherung
Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache – sondern eine Straftat. Als Justizsenator und Bürgermeister Henning Scherf (SPD) so vor zwei Jahren mahnte, war das Thema kurzfristig sogar Chefsache. Doch in der Exekutive scheint sich das nicht überall herumgesprochen zu haben. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelt der Fall einer 42-jährigen Polin – bei der die Polizei die ordentliche Spurensicherung vermasselte.
Zwar hat der Kriminaldauerdienst die Anzeige der Frau gegen ihren in Bremen lebenden Freund ordnungsgemäß aufgenommen. Die Frau war grün und blau geschlagen. Doch bevor die Beamten einen Arzt zur eigentlich vorgeschriebenen Beweissicherung hinzuzogen, die den Ausgang eines Strafprozesses wesentlich bestimmen kann, war die Polin auch schon abgeschoben.
Um vier Tage hatte die offenkundig geschlagene Frau ihr Touristenvisum überschritten, als sie zur Polizei kam. Tage, in denen sie möglicherweise vom „Freund“ festgehalten wurde. Die Polin gab gegenüber Dritten an, der Mann habe sie zeitweise in seiner Wohnung in Huchting eingeschlossen. Das bestätigt auch die Polizeipressestelle. Wie lange oder unter welchen Umständen das allerdings stattfand – diese Fragen dürften nach der Abschiebung der Geschlagenen nun schwierig zu beantworten sein. Ebenso wie die Beurteilung der zugefügten Verletzungen – mangels ordentlicher Beweisaufnahme.
„Es war Samstag. Eine Kripobeamtin war nicht im Dienst“, erklärt man bei der Polizei, warum die Ganzkörper-Verletzungen der Frau nicht wenigstens im Polizeiprotokoll stehen. Warum kein Arzt hinzugezogen wurde, bleibt offen. „Das ist nicht gut gelaufen“, räumt die Pressestelle ein.
Noch kurioser ist jedoch, wie die Frau überhaupt zur Polizei kam: Der Mann, gegen den nun Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung, wenn nicht sogar der Freiheitsberaubung, laufen, hatte die Blaugeschlagene persönlich zum Revier gebracht. In Begleitung seiner Mutter. „Die hat angegeben, ihr Sohn habe Probleme mit der Frau gehabt“, so die Polizei. „Mann und Frau waren alkoholisiert.“
Noch laufen die Ermittlungen. Ihr Ergebnis wird für die Anklageerhebung ausschlaggebend sein. Beobachterinnen argwöhnen schon, die schlampige Vorarbeit hätte auf Einstellung dieses voraussichtlich umständlichen Verfahrens mit einem Opfer im Ausland hinauslaufen sollen. Doch in der Staatsanwaltschaft heißt es, solche Fälle seien zwar selten – änderten aber nichts an ihrer Verfolgung. Eva Rhode
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