Dunkel war’s

An Entkommen ist nicht zu denken: „Plata quemada“ von Marcelo Piñeyro ist ein Höhepunkt des schwullesbischen Filmfestivals „Verzaubert“, dessen Schwerpunkte sonst eher bei Spielfilmen mit hohem Feel-good-Faktor liegen

Nette, aber eher harmlose Filme gehören fest zum Programm von „Verzaubert“

„Plata quemada“ („Verbranntes Geld“) ist ein Film aus Schatten. Er spielt bei Nacht oder in Innenräumen, in die kein Licht dringt, weil die Fenster hinter schweren Gardinen verborgen bleiben. Die Figuren, Gangster im Buenos Aires der Sechzigerjahre, wagen sich selten auf die Straße. Sie scheuen das Tageslicht, und das nicht nur deshalb, weil ein Coup anders lief, als er sollte, sondern auch, weil es die Gesetze des Genres so wollen. Und schließlich, weil der Regisseur, Marcelo Piñeyro, mit „Plata quemada“ ein Terrain existenzieller Dunkelheit betritt: Alles Tun ist vergeblich, es führt unausweichlich zum Tode, an Entkommen ist nicht zu denken.

Also sperrt Piñeyro seine Protagonsiten in klandestine Wohnungen, lässt sie streiten, unter anderem, weil zwei von ihnen, Angel und Nene, ein Paar sind, und ein Dritter damit nicht klarkommt. Irgendwann fliehen sie von Argentinien nach Uruguay. Fragmente ihrer Gesichter und Körper tauchen als helle Flächen auf, und wenn sie am Ende in Flammen aufgeht, leuchtet auch die Beute. Das, worum es allen ging, wofür sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, spendet Licht nur in dem kurzen Augenblick, in dem es wertlos wird.

„Plata quemada“ folgt einem Roman des argentinischen Schriftstellers Ricardo Piglia, „Brennender Zaster“ heißt das Buch in der deutschen Übersetzung. Das schwullesbische Filmfestival „Verzaubert“ zeigt die Verfilmung in einer Programmschiene, die Filme aus Spanien und Lateinamerika präsentiert. Das schwullesbische Filmfest in Lissabon hatte im September einen ähnlichen Schwerpunkt, viele der Produktionen, die in Portugal vorgestellt wurden, laufen jetzt bei „Verzaubert“. „Plata quemada“ ist dabei einer der Höhepunkte. Den thematisch ähnlich gelagerten „La virgen de los sicarios“ ( „Die Jungfrau der Killer“) aus dem kolumbianischen Medellín zum Beispiel lässt die argentinische Produktion weit hinter sich. Hier in diesem Film mag allein das schleppende, maulig vorgetragene Spanisch interessieren, das die beiden jugendlichen Killer sprechen. Aber auch das nervt nach zehn Minuten.

Auch ein zwar netter, aber harmloser Film wie „Krámpack“ lässt sich kaum mit „Plata quemada“ vergleichen. „Krámpack“ spielt in einem spanischen Ferienort, der Film begleitet zwei Jugendliche, enge Freunde durch den Sommer. Einer der beiden ist im Begriff schwul zu werden, der andere nicht, das macht ihre Freundschaft kompliziert und stellt sich den gemeinsamen, unbefangenen Erkundungen in die Sexualität in den Weg. Diesen Erkundungen übrigens verdankt sich der Titel: Krámpack steht für eine unkonventionelle Masturbationsmethode. Der Regisseur und Drehbuchautor Cesc Gay verzichtet darauf, die Geschichte glücklich ausgehen zu lassen, so dass die Unsicherheiten, Verletzungen und Verwerfungen einer pubertären Existenz nicht zugunsten des Feel-good-Faktors getilgt werden.

Feel-good-Movies und nette, aber eher harmlose Filme gehören fest zum Programm von „Verzaubert“, das jeden Herbst durch fünf deutsche Städte tourt. In Berlin findet das Festival dieses Jahr zum elften Mal statt. Anders als bei kleineren Veranstaltungen wie dem Lesbenfilmfestival liegt der Schwerpunkt nicht auf experimentellen Arbeiten oder Dokumentarfilmen, sondern auf Spielfilmen, die sich eines breiten Publikums gewiss sein können. Stars spielen eine wichtige Rolle: Dass etwa in der US-amerikanischen Empowerment-Schmonzette „Julie Johnson“ Lily Taylor und Courtney Love auftreten, scheint zu reichen, um den hausbackenen Plot vergessen zu machen. Das heißt natürlich nicht, dass „Verzaubert“ keine sehenswerten Filme zeigte. Doch die Auswahl orientiert sich weniger an cineastischen denn an identitätspolitischen und marktwirtschaftlichen Kriterien. Das aufsässige Wörtchen „queer“ im Namen – International Queer Film Festival – ist dadurch nicht gerechtfertigt.

Kleinere Festivals, etwa das Berliner Lesbenfilmfest oder das im Oktober in Hamburg stattfindende schwullesbische Festival, sind nicht gut auf „Verzaubert“ zu sprechen. Zu oft könnten sie Filme nicht zeigen, weil das größere Festivals diese exklusiv bringen wolle und auf die Verleihfirmen entsprechenden Einfluss ausübe. Das gelinge den Machern von „Verzaubert“, der Rosebud Entertainment Veranstaltungs + Medien GmbH, unter anderem deswegen, weil sie das publikumswirksame Fantasy Filmfest betreue und daher über beste Kontakte verfüge.

In diesem Jahr, sagt Dagmar Boguslawski vom Lesbenfilmfestival, sei ihr „Gaudi Afternoon“ und „Treading Water“ entgangen. Joachim Post vom Filmfest Hamburg nennt gleich acht Filme, auf die er verzichten musste. Schorsch Müller, einer der Leiter von „Verzaubert“, sagt dazu: „Wir sind es leid, falsche Kritik um die Ohren gehauen zu bekommen.“ Jedes Festival versuche, Premieren zu zeigen. „Der Berlinale kreidet das niemand an.“ Und Konkurrenz gehöre nun einmal zum Filmgeschäft. CRISTINA NORD

Bis 12. Dezember, Filmtheater in den Hackeschen Höfen, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte