Neue Welt braucht keine Spitzel

Die Hauptstadt lässt die Scientologen vom Verfassungsschutz beobachten. Die selbst ernannte Kirche klagt dagegen

von ADRIENNE WOLTERSDORF

Die Rechtslage sei problematisch und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz bewege sich in einer „rechtlichen Grauzone“ kritisierte Georg Stoffel, Scientology-Sprecher aus München. Gemeinsam mit Ute Koch, Scientology-Präsidentin Berlin und den Müncher Anwälten der umstrittenen Religionsgemeinschaft war er am Donnerstag vor dem Berliner Verwaltungsgericht erschienen. Dort steht nun die hauptstädtische Überwachung der Organisation auf dem Prüfstand. Seit Jahren hätten die Verfassungsschützer keine bedenklichen Erkenntnisse liefern können, so Anwalt Wilhelm Blümel.

Als rechtlich unbedenklich erklärte hingegen Anwalt Friedhelm Hufen die Überwachung. Er vertritt die Berliner Innenverwaltung. „Es geht um den Schutz der Grundordnung“ bekräftige Hufen, der in der Ron-Hubbard-Organisation Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sieht. Außer in Schleswig-Holstein wird Scientology in allen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet. Hufen wies darauf hin, dass dort zumeist sogar „gravierende Anhaltspunkte“ anerkannt würden.

Hintergrund der Klage ist, dass ein früherer Stasi-Spitzel als V-Mann des Verfassungsschutzes bei Scientology eingeschleust worden war. Er lieferte falsche Informationen, auf deren Grundlage ein Berliner Polizeidirektor als Scientologe verdächtigt und vom Dienst suspendiert worden war. Der Fall führte zur Auflösung des eigenständigen Landesamtes für Verfassungsschutz und zur Eingliederung der Behörde in die Innenverwaltung.

Die weltweit agierende Organisation erhebt zudem den Vorwurf, dass einer ihrer Mitarbeiter mit Geld als Spitzel für den Verfassungsschutz geworben werden sollte.

Die klagende „Scientology Kirche Berlin e.V.“ hat laut Berliner Verfassungsschutzbericht des Jahres 2000 rund 200 Mitglieder. Bundesweit sollen es 5.000 bis 6.000 Mitglieder sein. Das streng hierarchisch strukturierte Kommandosystem der Scientologen arbeitet nach eigenen Angaben an einer „neuen Welt“. Mitglieder würden dabei keinesfalls psychologisch unter Druck gesetzt. Georg Stoffel wies darauf hin, dass seine Organisation sich zum Grundgesetz klar bekenne. Seit 30 Jahren, seit ihrem Bestehen in Deutschland, habe es kein einziges Urteil gegen Scientology-Anhänger geben. Ein Urteil soll am kommenden Donnerstag verkündet werden.