Mittelstand hofft auf Zwangspfand

Im Vertrauen auf die gesetzlich garantierte Mehrwegquote haben Privatbrauer und Mineralbrunnen in Mehrwegsysteme investiert. Nun fürchten sie, mit billigen Einwegflaschen vom Markt gefegt zu werden

von MATTHIAS URBACH

In Berlin wird bereits fast die Hälfte des Bieres in Halbliterdosen verkauft. Bundesweit liegt ihr Anteil bei einem Viertel. In Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz nahm der Anteil von Dosenbier in nur einem Jahr um jeweils gut ein Fünftel zu. „Das sind Zahlen“, sagt Roland Demleitner vom Bundesverband mittelständischer Privatbrauereien, „die unserer Branche Angst machen“. Sein Verband setzt alle Hoffnung auf das Zwangspfand.

Während die öffentliche Debatte ums Zwangspfand vor allem um Umweltschutz kreist, um Energiesparen und weniger Müll in der Landschaft, geht es bei einigen kleinen Getränkeabfüllern und Fachgeschäften ans Eingemachte. Sie leben zu einem großen Teil vom Verkauf von Mehrweg und haben sich im Vertrauen auf die 1991 vom damaligen Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) eingeführte Verpackungsverordnung darauf eingestellt. Die sah eine Mehrwegquote von 72 Prozent vor. Bei Unterschreiten, setzt sich ein komplizierter Nacherhebungsprozess in Gang, an dessen Ende das Pflichtpfand stehen sollte.

Mittlererweile befindet sich die Mehrwegquote im freien Fall. Während sie zwischen 1991 und 1997 noch um die 72 Prozent schwankte, fiel sie seither kräftig – auf nunmehr 62,5 Prozent. Doch bislang konnten die Handelsriesen das Zwangspfand mit ihren Klagen aufhalten. „Vor allem der Lebensmitteleinzelhandel hat die Pfandquote bewusst abfallen lassen“, klagt Demleitner. „Unsere Brauer werden nun dafür bestraft, dass sie ökologisch verantwortlich und gesetzestreu handeln.“ Gerade kleine Brauer oder auch Mineralbrunnen besitzen oft nur eine einzige Abfüllanlage. Sie können deshalb nicht ohne weiteres in Mehrwegflaschen und gleichzeitig in Dosen abfüllen. Nachdem anfangs beim Bier die Dose und beim Mineralwasser die große Einliter-PET-Flasche dem Mehrwegsystem Konkurrenz machte, drängen nun auch bei Limonaden immer mehr Einwegflaschen auf den Markt. Hier sind es vor allem die kleineren Halbliterflaschen für unterwegs, wie sie an Kiosken immer häufiger aus Kühlregalen angeboten werden, sowie die Zweiliterflaschen. In nur 18 Monaten vervierfachte sich der Anteil an PET-Einweg am Limonadenverkauf.

Viele Verbraucher hingegen orientieren sich schlicht am billigsten Angebot. Auch wenn zum Beispiel das Bier für die Abfüllung in der Dose stark erhitzt werden muss und hinterher den Geschmack der Dose annimmt, kaufen viele lieber die billigen Sixpacks im Lebensmitteldiscounter. Trotz dieses Verhaltens im Supermarkt, sind in allen Umfragen mehr als zwei Drittel der Bundesbürger für ein Zwangspfand.

Der Einwegboom geht auch zu Lasten der Getränkefachhändler, die meist auf Mehrweg spezialisiert sind und dafür mehr Kosten haben. Schließlich müssen sie die leeren Kisten lagern und die Rücknahme organisieren.

Inzwischen geht es nicht mehr bloß um Marktanteile. Die Wirtschaftlichkeit des Pfandsystems steht insgesamt auf dem Spiel. „Wenn sich die aktuelle Entwicklung noch ein Jahr fortsetzt“, urteilt Clemens Stroetmann von der Stiftung Initiative Mehrweg, „wird die Wirtschaftlichkeit des Mehrwegsystems entscheidend geschwächt“. Wenn einzelne Pfandflaschentypen kaum noch genutzt werden, wird es erheblich teurer, sie noch in Umlauf zu halten. Für Stroetmann, der unter Töpfer als Staatssekretär die Verpackungsverordnung auf den Weg brachte, geht es längst nicht mehr nur um Umweltschutz. Wer nicht wolle, dass „die Großen die Kleinen schlucken, der muss auf Mehrweg setzen“.

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