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Es wird gelauscht wie noch nie

In der Bundesrepublik nahm die Zahl der abgehörten Telefongespräche im vergangenen Jahr um 10 Prozent zu. Spitzenreiter sind Drogendelikte. Eine Studie zu den Maßnahmen verzögert sich, weil Behörden den Forschern Akten nicht herausgeben

aus Berlin WOLFGANG GAST

Die Zahl der überwachten Telefonanschlüsse in Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Das ergibt eine Statistik des Bundesjustizministeriums, die dem parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, im November auf dessen Anfrage zugestellt worden ist.

Danach sind im vergangenen Jahr in den Bundesländern und im Geschäftsbereich der Karlsruher Bundesanwaltschaft in 3.353 Fällen telefonische Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden. Im Vergleich zum Vorjahr (3.034 angeordnete Abhörmaßnahmen) ist dies eine Zunahme von mehr als 10 Prozent. Die Zahl derer, die von den Überwachungsmaßnahmen betroffen wurden (Beschuldigte, Nachrichtenmittler oder Inhaber der von den Beschuldigten genutzten Anschlüsse), ist sogar um 16 Prozent angestiegen: von 6.443 im Jahr 1999 auf 7.512 im vergangenen Jahr. Die Angaben wurden von den Bundesländern und der Bundesanwaltschaft dem Justizministerium in Berlin gemeldet.

Die Bundesrepublik wird mit diesen Zahlen ihrem Ruf als Abhörweltmeister erneut gerecht: in Deutschland wird rund acht- bis zehnmal häufiger gelauscht als etwa in den Vereinigten Staaten. Dass die Ermittlungsbehörden immer mehr auf den so genannten kleinen Lauschangriff setzen, zeigt der längerfristige Rückblick: 1973 wurden insgesamt 104 Telefonüberwachungen angeordnet. Zehn Jahre später waren es bereits 964, 1993 schon 3.964.

Nach Angaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post ist die Anzahl der überwachten Telefonanschlüsse sogar noch höher. Die Unternehmen, die gesetzlich zur Unterrichtung verpflichtet sind, meldeten der Regulierungsbehörde, dass ihnen im Jahr 2000 insgesamt 15.741 richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnungen vorgelegt worden sind. Die Diskrepanz zu den Angaben der Justiz erklärt das Bundesjustizministerium unter anderem damit, dass die Überwachten zunehmend über Anschlüsse bei verschiedenen Gesellschaften verfügten, was zwangsläufig den Anstieg der registrierten Anordnungen nach sich ziehe.

An der Spitze der Gründe für eine Überwachung stehen mit 1.994 Fällen vermutete Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Es folgen Tötungsdelikte (220). Die drittstärkste Gruppe (215) sind Raub und räuberische Erpressung, dahinter rangieren Straftaten nach dem Ausländer- und Asylverfahrensgesetz (205). Unter Ermittlern und Politikern wird seit Jahren darüber gestritten, wie erfolgreich der „kleine Lauschangriff“ als Fahndungsinstrument tatsächlich ist.

Die rot-grüne Bundesregierung gab daher beim Max-Planck-Institut eine Studie zu „Rechtswirklichkeit und Effizienz von Telefonüberwachungen“ in Auftrag. Ursprünglich sollte die Studie im April und dann im September dieses Jahres vorliegen. Ein Ergebnis steht aber immer noch aus, weil die Sicherheitsbehörden den Forschern die notwendigen Akten nicht zur Verfügung gestellt haben.

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