: Die Ministerin, die die Frauenrechte stärken will
Sima Samar, Ärztin und Mitgründerin der Hilfsorganisation Shuhada, wird Vize-Regierungschefin und Frauenministerin in der Übergangsregierung
„Vergesst die Frauen nicht!“, hat Sima Samar immer wieder gemahnt. Jetzt ist es ihre eigene Aufgabe geworden, Frauen und Frauenrechte zu stärken: Sie wird Frauenministerin und eine der fünf StellvertreterInnen des Ministerpräsidenten in der Übergangsregierung Afghanistans.
Die 44-jährige Leiterin der Hilfsorganisation Shuhada ist derzeit in Kanada, um ihren dritten internationalen Menschenrechtspreis entgegenzunehmen. Erst vor kurzem reiste sie auf Einladung von Terre des Femmes durch Deutschland: Eine beeindruckende Persönlichkeit, integer und mutig, zäh und bescheiden. Noch letztes Jahr drohten die Taliban, sie nach der Scharia zu bestrafen, weil sie Mädchenschulen betreibt. „Ich sagte: Dann sollen sie mich dafür hängen, dass ich den Mädchen Stifte und Hefte gegeben habe.“ Das erzählt sie völlig unprätentiös. Ihr Engagement, sagt sie, sei „nichts Besonderes“.
Was nicht heißt, dass sie keinen Ehrgeiz hat. Geboren 1957 in Jaghori in der zentralafghanischen Provinz Ghazni, die von der schiitischen Minderheit der Hasara bewohnt wird, wollte sie schon in der Schule „immer die Klassenbeste sein“. Sie wollte beweisen, dass man auch als doppelt Diskriminierte, als Mädchen und als Hasara, etwas taugt. Als ihr Vater sie nicht an die Universität lassen wollte, entzog sie sich durch Heirat mit einem fortschrittlich denkenden Mann. 1979 bekam sie einen Sohn, 1982 schloss sie ihr Medizinstudium in Kabul ab. 1984 wurde ihr Mann von den sowjetischen Invasoren erschossen. Sie floh in die pakistanische Grenzstadt Quetta. Eine schwere Zeit, denn eine arbeitende und allein erziehende Frau muss sich dort ständig des Verdachts erwehren, Prostuierte zu sein.
Als sie in den Flüchtlingslagern erlebte, wie Frauen starben, bloß weil sie Frauen waren, also medizinischer Behandlung nicht würdig, beschloss sie, ihr eigenes Krankenhaus zu gründen. Islamisten bedrohten sie, der pakistanische Geheimdienst, die auf die „Familienehre“ bedachten Brüder. Doch sie schaffte es. 1989 eröffnete sie ihre erste Klinik.
Im selben Jahr gründete sie Shuhada, eine von Spenden lebende Nichtregierungsorganisation, Trägerin von inzwischen fast 50 Schulen mit rund 20.000 Schülern und Schülerinnen, vier Krankenhäusern und zwölf Arztpraxen (www.shuhada.org). Einige Projekte befinden sich im pakistanischen Grenzgebiet, einige in Kabul, die meisten aber im Siedlungsgebiet der Hasarat. Im letzten Jahr wurde eines ihrer Krankenhäuser bombardiert, drei Mitarbeiter wurden massakriert, einem zogen die Taliban die Haut ab.
Genauso beharrlich wie für ihre Projekte kämpfte Sima Samar gegen den Ausschluss der Frauen aus der Öffentlichkeit. Das Tragen des Ganzkörperschleiers Burka, sagt sie, sei nicht nur diskriminierend, sondern auch gesundheitsschädlich. Dies sei wissenschaftlich erwiesen. Viele Afghaninnen litten unter Knochenerweichung, weil nie Sonnenlicht an ihre Haut dringe. Als Ministerin will sie dafür sorgen, dass Programme für Lebensmittelhilfe, Hygieneberatung und Familienplanung angeschoben werden. UTE SCHEUB
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