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Wer hören kann, der höre

Augen zu, Ohren auf: Geschenke zum Hören erleben einen Boom. In den Kaufhäusern und Buchläden warten inzwischen Regalwände voll mit Hörprodukten auf Käufer. Im Internet kann man bei einigen Verlagen auch schon mal Probehören

Genug Kaufhäuser durchkämmt. Jetzt werden tröstende Worte in müde Ohren getropft. Und wer mag, stellt sich einen Whisky bereit. Denn dazu lädt Wolf Gaudlitz gleich zu Beginn seines Gespräches mit Elisabeth Mann Borgese ein, um dann die Zuhörer mit ins Haus der Meeresforscherin und letzten noch lebenden Tochter Thomas Manns zu nehmen. Es ist, als säße man mit ihnen am Tisch, und während draußen der Wind ums Haus streicht, zieht ein ganzes Jahrhundert an Erinnerungen, Wünschen und Erzählungen vorüber. Diese auf CD gebrannte Unterhaltung ist eine eher ungewöhnliche, aber darum nicht weniger reizvolle Variation des klassischen Hörbuches.

Hörbücher sind zunächst mal das, was der Name verspricht: Bücher zum Hören. Dabei sind die Inhalte so vielfältig wie die Interpretationen, und so kommen die Liebhaber klassischer und moderner Belletristik ebenso auf ihre Kosten wie Krimifans und Reiselustige. Bücher, die man schon gelesen hat, kann man noch einmal und jetzt ganz anders erfahren; solche, die man schon immer lesen wollte, kann man endlich hören.

Das Medium entwickelt sich zum Renner: Etwa 6.000 Titel von rund 200 Anbietern sind derzeit auf dem Markt. Dazu kommen noch 2.000 importierte Titel in Originalsprache.

Und das Medium hat Potenzial. Nach Angaben des Hörbuchverlages wüssten bislang erst fünf bis sieben Prozent der Bevölkerung, was ein Hörbuch überhaupt sei. Deshalb ist man im Verlag auch nicht böse über gute Konkurrenz, da jede ernsthafte Verbraucherwerbung nur weiter zur Verbreitung des Hörbuches beiträgt.

In großen Buchhandlungen warten komplette Regalwände auf hörige Käufer. Und das seien „längst nicht mehr nur Senioren, die schlecht lesen können, oder Leute, die ein ausgefallenes Geschenk suchen“, so eine Verkäuferin. Ursprünglich erfunden für ältere Menschen, die nicht mehr selbst lesen können oder wollen, haben die Hörbücher inzwischen auch viele jüngere Freunde gefunden – für lange Autofahrten, gegen monotone Hausarbeiten oder einfach zum Zuhören statt Lesen.

Das Hörbuch bringt eine weitere sinnliche Ebene in den Lesegenuss. Anders als bei der Verfilmung eines literarischen Stoffes bleibt hier noch Raum für die Fantasie des Hörers. Denn oft erhält ein Buch durch die für die Lesung ausgewählte Stimme und die damit verbundene Interpretation ein ganz neues Gesicht. Diese Interpretation freilich macht die Sache so teuer. Neben der Studiotechnik müssen Sprecher und Regisseure bezahlt werden. Hörspielproduktionen sind noch aufwändiger. CDs sind in der Herstellung teurer als Kassetten, was einige Verlage jedoch inzwischen im Außenpreis nivellieren.

Wer volle Geschäfte – auch Buchhandlungen können dann quälend sein – nicht mag, sucht im Internet nach geeigneten Hörgeschenken. Viele Anbieter lassen Probehören. Unter www.hr-online.de gibt es die monatlich aktualisierten Hörbuchtipps des Hessischen Rundfunks. Zudem bieten einige Verlage und Versandbuchhandlungen wie beispielsweise www.audiobuch.com einen Geschenkeservice an. Hat man aus dem umfassenden Programm das Passende gefunden, kann man seine Lieben beschicken lassen. KAJA

Elisabeth Mann Borgese: „Mein Vater der Zauberer – Meine Liebe das Meer“. In einem Gespräch mit Wolf Gaudlitz, Audiobuch, 2 CDs, 48,90 DM

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