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„Es war einmal – kein König“

Neues und Wiederentdecktes für Kinderohren: Pinocchio und Timm Thaler. Auch manche Eltern werden sich beim Zuhören an die Zeit der früheren Lektüre erinnern. HörBescherung mit verschiedenen Geschichten geht ins zweite Jahr

Stille im Kinderzimmer – eine Wohltat für stressgeplagte Eltern. Bis zu jenem Moment, wo die Frage aufkommt: Was machen die eigentlich? Da sitzen die sonst ständig zankenden Geschwister friedlich vereint auf dem Bett und haben ganz große Ohren, weil sie nichts von Pinocchios Abenteuern verpassen wollen. Wenn Felicitas Hoppe, im Hauptberuf selbst Autorin, die Altklug- und Dummheiten des kleinen Holzrackers, der so gern ein richtiger Junge wäre, vorliest, merkt man, dass Carlo Collodis Kinderbuchklassiker ihr Lieblingsbuch ist. Obwohl der Stoff schon über hundert Jahre auf dem Buckel hat, wirkt Hoppes Vortrag kein bisschen verstaubt oder langweilig. Im Gegenteil: Pinocchio und seine Gefährten sind so präsent und lebendig, als wären sie geradewegs der Phantasie ihrer kleinen Zuhörer entsprungen. Es bedarf also gar keines Märchenkönigs, um Interesse zu wecken.

Etwas realistischer geht es zu, wenn Jutta Richter ihr jüngst mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnetes Buch Der Tag, als ich lernte die Spinnen zu zähmen hörbar macht. Die junge Heldin freundet sich gegen viele Widerstände mit einem Außenseiter an, der wunderbare Fähigkeiten hat: Er kann Riesenspinnen zähmen und die gefährliche Kellerkatze verjagen. Dennoch vermag das Mädchen nicht, dem Druck der anderen aus der Clique standzuhalten. Um wieder dazuzugehören, verrät es schließlich seinen Freund.

Hörbücher für die Kleinen sind schon lange kein Geheimtipp mehr. Rufus Becks wunderbare Lesung der Harry-Potter-Geschichten hat sogar Lesemuffel wieder auf den Geschmack am Buch gebracht. Doch auch die ganz Kleinen, des Lesens noch unmächtig, finden Gefallen an dem, was da aus den Recordern tönt. Das müssen nicht zwingend Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg sein. Und wer die Poke- oder Digimons bisher erfolgreich ausgesperrt hat, wird sie nicht den Hintereingang über die Ohren nehmen lassen. Für Nostalgiker: Die klassischen Märchen von Andersen bis Grimm gibt es in vielen Interpretationen als CD oder Kassette.

Inzwischen auch schon ein Klassiker ist Timm Thaler oder das verkaufte Lachen. Zum 75. Geburtstag von Autor James Krüss wurde nicht nur das Buch neu aufgelegt, sondern praktischer Weise auch gleich die Hörspielfassung von Radio Bremen wieder ausgegraben. Mithörende Eltern werden sich nur zu gut an ihre eigene Leseerfahrung erinnern, wenn es Timm am Ende gelingt, dem Teufel das verkaufte Lachen wieder abzujagen.

Weil Weihnachten ist, hat sich der Reclam-Verlag die HörBescherung ausgedacht. Zum zweiten Mal versammelt man Geschichten von Paul Maar, Jella Lepman und anderen auf einer CD. Von doppelten Weihnachtsmännern, komischen Engeln und streunenden Kätzchen, die merkwürdige Geschenke machen, wird da erzählt. David, der in der Schulaufführung den bösen Herbergsvater mimen soll, ist dann doch nicht in der Lage, Maria und Josef die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Er bittet sie stattdessen herzlich herein, bringt die Geschichte durcheinander und das Publikum zum Staunen. Das macht schon vor Weihnachten Lust aufs Fest. Offenbar so erfolgreich, dass die Serie vom Verlag fortgesetzt werden soll. Damit muss man sich dann um das Weihnachtsgeschenk im nächsten Jahr keine Sorgen mehr machen. Na dann: Schöne Hörbescherung! KAJA

Jutta Richter: „Der Tag, als ich lernte die Spinnen zu zähmen“. Hörverlag, 2 MC, 10,68 € (20,90 DM).James Krüss: „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen, Igel-Records“. 1 CD, 12,68 € (24,80 DM).

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