Wehrmachtsdeserteure fühlen sich noch nicht rehabilitiert

Die überlebenden Deserteure der Wehrmacht fühlen sich auch 56 Jahre nach Kriegsende noch längst nicht rehabilitiert. „Die Bundesregierung hat frühere Zusagen nicht eingehalten, das Gesetz über die Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile zu verbessern“, erklärte gestern Ludwig Baumann aus Bremen. Als Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz kämpft Baumann seit Jahren für die Rehabilitierung der etwa 100.000 Deserteure der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

Deutsche Militärrichter verhängten in den Kriegsjahren rund 30.000 Todesurteile gegen Deserteure. Die meisten wurden hingerichtet, mindestens 10.000 von ihnen kamen in Zuchthäuser oder Konzentrationslager. „Von den damals Verfolgten überlebten keine 4.000 Männer“, sagt Baumann. Heute leben nur noch rund 200 Deserteure, schätzt Baumann, die meisten davon „körperlich und seelisch krank nach Haft und Folter.“

Der in Hamburg geborene Baumann floh 1942 als Soldat von seiner Einheit in Bordeaux. Er wurde gefasst, in mehrere Konzentrationslager und in ein Strafbataillon an die Ostfront gesteckt. Der zum Tode Verurteilte hat „acht Monate in Ketten in der Todeszelle gesessen, ich wurde gefoltert und musste bei Erschießungen von anderen Opfern zusehen.“

Baumann überlebte Konzentrationslager und das Strafbataillon an der Ostfront – die Todesstrafe wurde zu einer Begnadigung umgewandelt. Aber nach dem Krieg bekam er Morddrohungen und Beschimpfungen: „Wir wurden als Feiglinge und Verräter beschimpft. Daran sind die meisten Überlebenden zerbrochen.“ Zu seinem 80. Geburtstag am kommenden Donnerstag hat Baumann einen besonderen Wunsch: Am Tag zuvor berät der Rechtsausschuss des Bundestages erneut über Verbesserungen an einem Gesetzentwurf zur Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren. Baumann hofft, dass die alten „Unrechtsurteile“ aufgehoben werden. „Die öffentliche Anerkennung dafür haben wir schon länger, nur die rechtliche nicht.“

dpa