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Schnorrer mit hehren Zielen

Im nächsten Frühjahr soll die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) ihren Dienst aufnehmen. Das Problem: Dazu fehlt noch die ein oder andere Million – und die Unterstützung der Wirtschaft

von MARKUS VÖLKER

Um eine Stiftung ins Leben zu rufen, ist Geld nötig: Stiftungskapital. Manche Stiftungen verwalten politische Interessen oder konservieren das Lebenswerk einer einflussreichen Persönlichkeit. Die Stiftung Nada möchte gegen Doping kämpfen und heißt in voller Länge Nationale Anti-Doping-Agentur. Ihr Sitz wird in Bonn sein, die Arbeit soll im Frühjahr aufgenommen werden. Nur mit dem Stiftungskapital gibt es Probleme: Anfangs wollten der Deutsche Sportbund (DSB) und das Bundesinnenministerium viel Geld gegen die Epo-Verseuchung und den ungestillten Nandrolon-Hunger des Sports auftreiben. Von 80 Millionen Mark war ursprünglich die Rede, doch die Summe wurde immer wieder korrigiert – stets nach unten: erst auf 50, später auf 25 Millionen. Inzwischen sind die hohen Erwartungen an die Grenze des Machbaren gestoßen. Die verläuft bei etwa 15 bis 20 Millionen Mark. Und dennoch klafft eine Lücke in der Finanzierung, denn verbürgt sind bisher nur die zwölf Millionen des Bundes. Die Sportminister der Länder schießen zwei Millionen zu. Aber woher kommt der Rest?

Die Wirtschaft soll es richten. Aber die Wirtschaft tut sich schwer. Einen ersten Versuch, Firmen zu gewinnen, starteten der DSB und Otto Schily vor gut einem Jahr. Ihre Strategie: Wir sprechen die Big Player an, vielleicht sitzt ihnen das Portemonnaie locker. Anschreiben wurden verschickt, Gespräche geführt. Die Erkenntnis daraus: Die Geldbörsen waren so fest verschlossen wie Tresore. DSB-Chef Manfred von Richthofen musste feststellen, „dass es mit der Freigebigkeit bei großen Schecks nicht mehr weit her ist“. Meist wurden die Bittsteller abgespeist mit der Begründung, die wirtschaftliche Gesamtsituation sei derzeit schlecht, überdies müssten große Beträge vom Vorstand und Aufsichtsrat genehmigt werden. Das könne dauern.

Tatsächlich klagen die Konzernvertreter über ein erhebliches Informationsdefizit – und reagieren entsprechend skeptisch. „Wir wissen gar nicht, wie sich das Thema aufstellt“, beanstandet Dieter Meinhold, Leiter der Sportkommunikation in der Adam Opel AG. „Ist das eine seriöse und zielgerichtete Angelegenheit?“, fragt er. Meinolf Sprink, Sportbeauftragter der Bayer AG, sagt: „Im Moment ist das nur Kaffeesatzlesen. Wann wird denn das Baby final aufgestellt? Ich möchte etwas sehen.“

Immerhin: Der DSB hat mittlerweile sein Konzept geändert. Die Augsburger Marketing-Agentur „Arnold“ erarbeitete eine „Image- und Gründerbroschüre“, die keine Frage an die Nada unbeantwortet lassen soll. Derzeit werden Pakete an 75 (auch mittelständische) Firmen verschickt in der Hoffnung, kleinere Summen (100.000 Mark) machten den Kohl fett. „Die Pakete hätte schon viel früher auf den Weg gebracht werden sollen“, sagt Jürgen Barth, der im DSB die Aktion betreut. „Mit 10 oder 20 Briefen lassen sich einfach nicht Millionensummen ranschaffen, die Erwartungshaltung war zu groß“, räumt er ein. „Das ist fast vollständig in die Hose gegangen“, heißt es in der Presseabteilung des Sportbundes. Wie eine „schäbige Drückerkolonne“, bemerkte die Süddeutsche Zeitung, seien die Schnorrer mit dem hehren Anliegen von den Bossen abgewiesen worden. Nun sollen zehn Gründungspartner für die Nada gefunden werden, Partner, die sich über mehrere Jahre hinweg engagieren.

Die Telekom hat bereits angedeutet, dass sie die Nada unterstützen werde. Meinolf Sprink von Bayer hingegen signalisiert geringeres Interesse. „Wir leisten so signifikante Beiträge, jenseits von 25 Millionen im Breitensport, dass wir denken, genug zu tun“, sagt er. Und weiter: „Warum müssen es immer die Gleichen sein, die zur Ader gelassen werden?“ Auf die Frage, ob die Pharmaindustrie nicht eine besondere moralische Verpflichtung im Anti-Doping-Kampf verspüre, entgegnet Sprink: „Wir produzieren keine Dopingmittel, eine direkte moralische Verpflichtung sehe ich nicht. Die Fragestellung prallt an mir ab.“

Die Haltung seines Konzerns zu Doping sei vielmehr durch den Fall Baumann belegt. Einen Tag nach Baumanns Sperre in Sydney löste Sprink telefonisch den Vertrag mit dem Läufer auf. „Nennen Sie es naiv, aber wir leben nach dem Ideal: dopingfreier Sport.“ Der Vorsatz wirkt freilich hohl, wenn Bayer die Finanzierung der Nada als „Aufgabe der öffentlichen Hand“ bezeichnet.

Dieter Meinhold (Opel AG) erklärt, die neue Offerte des DSB müsse zunächst geprüft werden. „Zusätzliches Budget ist schwierig zu generieren“, sagt er schon mal vorbeugend und zieht eine terminologische Trennlinie zwischen „Sportsponsoring“ und „Sportheilung oder Mäzenatentum“; Letzteres betreffe die Nada. Doch während der Sponsor Opel eine „Top-Team-Philosophie“ (AC Milan, Paris St. Germain, Bayern München) verfolgt, steht es um die Heilung der bösen Auswüchse des Sports eher schlecht. Dennoch kann sich Meinhold nicht vorstellen, dass die Wirtschaft das Thema Dopingbekämpfung vernachlässigen werde. Diesbezüglich wandte sich neulich ein Regierungsdirektor des Innenministeriums an ihn. Ob sich Opel beteiligen wolle, wurde er gefragt. Es ergab sich nichts Konkretes. „Es war nur ein informeller Austausch“, sagt Meinhold. Vielleicht kann ja der bestehende Kontakt zu Richthofen eine Einigung erleichtern. Der DSB-Präsident ist Jurymitglied des „Georg von Opel“-Awards, eines Preises, der besonderen sozialen Einsatz im Sport prämiert.

Der besondere Einsatz Schilys und Richthofens brachte bislang keine Erträge. Noch fehlt der Nada ein hoher Millionenbetrag. Und noch greifen die angesprochenen Firmen tief in den Fundus der Alibiformulierungen. Wie ernst die deutsche Wirtschaft den Anti-Doping-Kampf nimmt, wird sich an den Zuschüssen für die Nada bemessen lassen.

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