: Ein teures Stück Verheißung
Mit religiöser Inbrunst weiht VW seine „Gläserne Manufaktur“ für 365 Millionen Mark in Dresden ein. Die Stadt liefert den Hintergrund für den Bau der Nobelkarossen „Phaeton“. Das Werk in der City und die Subventionen waren heftig umstritten
aus Dresden MICHAEL BARTSCH
Es sollte die eleganteste Autofabrik in der „schönsten deutschen Stadt“ werden, so VW-Vorstandsvorsitzender Ferdinand Piech. Der Wolfsburger Konzern hat für den Einstieg in die Luxusklasse mit dem Arbeitsmodell „D1“ den Produktionsort Dresden ausgewählt. Die Kulturstadt sollte die Kulisse für eine weltweit einmalige „gläserne Manufaktur“ abgeben, in der Nobelkunden schon während der Montage ihres Lustobjektes Kontakt pflegen können und sich bei einem einwöchigen Besuch an Theatern und Museen der Stadt erfreuen.
Gestern nun wurde nach zweieinhalbjähriger Bauzeit der Gebäudekomplex mit einer gottesdienstähnlichen Performance eröffnet. Staatskapelle und Kreuzchor umrahmten die Reden, eine eigene Hymne wurde intoniert, die Arie „Nehmt meinen Dank, ihr holden Götter“ gesungen. Anschließend legte Bundeskanzler Gerhard Schröder mit knirschendem Getriebe die ersten Meter in dem ihm übergebenen neuen „Phaeton“ zurück. Offiziell vorgestellt werden soll das an einen aufgeblasenen Passat erinnernde Modell erst zum Genfer Autosalon im kommenden Frühjahr. Zwischen 100.000 und 200.000 Mark kosten die Varianten des Luxusmobils. Schröder nannte es „nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern auch ein Stück Verheißung“.
365 Millionen Mark hat Volkswagen in dieses Experiment investiert. Wegen des weitgehend durch renommierte Marken besetzten Luxussegments erscheint der Erfolg keinesfalls sicher. Prototypen des „D1“ wurden von der Fachwelt zunächst belächelt, die Fertigstellung der Dresdner Manufaktur verzögerte sich um fast ein Jahr. Statt der vorgesehenen 800 Arbeitsplätze werden vorerst nur 250 besetzt, was Investitionskosten von etwa 1,5 Millionen Mark je Arbeitsplatz entspräche. Möglicherweise wird deshalb neben dem „Phaeton“ auch der Geländewagen „Colorado“ hier zusammengebaut.
Der zum Konzept gehörende zentrale Standort hatte um die Jahreswende 1998/99 zu heftigen Diskussionen in Dresden geführt. Mit heftigem Druck setzte Piëch das ehemalige Messegelände am Großen Garten mitten in der Stadt durch. Beteiligt war seinerzeit auch der letzte SED-Bürgermeister und spätere Unternehmensberater Wolfgang Berghofer. Die Stadt hatte zunächst andere Industriebrachen vorgeschlagen. Proteste von Anwohnern und Bedenken von Künstlern und Bildungsbürgern ob der Gleichsetzung von Kulturbauten und Autofabrik liefen ins Leere. Ein Bürgerbegehren scheiterte knapp. Der Stadtrat stimmte schließlich dem Verkauf des Filetgrundstückes für etwa 250 Mark je Quadratmeter an VW zu. Dafür erhofft man sich bei voller Werksauslastung Steuereinnahmen von etwa 40 Millionen Mark jährlich. Auch die Logistik war umstritten. Mittlerweile werden die per Eisenbahn angelieferten vormontierten Teile in riesigen Güterstraßenbahnen durch die Stadt zur Manufaktur gefahren.
In der Manufaktur herrscht eine geradezu sterile Atmosphäre. Statt der üblichen „Blaumänner“ wird in weißen Kitteln per Hand die Endmontage ausgeführt. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sprach gestern von einem „Bekenntnis zur Region und deren Zukunftsfähigkeit“. Bundeskanzler Schröder verteidigte die 145 Millionen Mark Fördermittel, die VW insgesamt für das Projekt erhalten hat. Die Bundesregierung lehne die Haltung der EU-Kommission ab, Zuschüsse für Großinvestitionen künftig drastisch zu begrenzen.
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