: Arbeitsteilung gescheitert
Die „Woche“ steht ohne Chefredakteur da. Aber immer noch als „Best Desigend Newspaper“
von STEFFEN GRIMBERG
„Das Ende der Tempo“, war dereinst im ansonsten herzlich überflüsssigen Zeitgeistbändchen „Tristesse Royal“ zu lesen, „beruht auf einem Missverständnis“: Verleger Thomas Ganske habe anno 1996 seinen alten Mitstreiter und Ex-Tempo-Chefredakteur Markus Peichel gefragt, was er denn nun mit dem Blatt anstellen solle. „Dem war Tempo schon eine Weile zu defensiv und er antwortete ‚Angeben, Angeben!‘ Nun hat der Ganske dicke Haarbüschel in den Ohren und Peichels ‚Angeben‘ verstand er als ‚Aufgeben!‘.“ – Und so verschwand Tempo vom Markt.
Auch der Abgang von Hans-Ulrich Jörges bei der ebenfalls in Ganskes kleinem Verlagsimperium erscheinenden Woche hört sich ganz nach einem Missverständnis an. Einem Missverständnis, das allerdings schon länger dauert: Jörges, der erst Anfang 2001 vom langjährigen Stellvertreter zum Chefredakteur aufstieg, gehörte 1993 bereits zur Gründungsmannschaft des Ganske-Blattes. Hier stand Jörges für klassischen Journalismus und die Distanz zur Macht, sein Chef Manfred Bissinger sorgte derweil für blendende Kontakte zur Sozialdemokratie wie zu Wirtschaftsführern.
Der Woche, angetreten als „moderne Wochenzeitung“ (Eigenwerbung) gegen den schon damals in Ehren ergrauten Marktführer Zeit, nützte die Aufgabenteilung nicht übermäßig: Das Blatt trat als Gegenbeweis zum allgegenwärtigen Abgesang auf die klassische Wochenzeitung an – doch die Auflagenzahlen geben eher den Unkenrufern Recht: 133.353 Wochen verzeichnet die aktuellste IVW-Statistik, die Zeit setzt über 300.000 Exemplare mehr ab. Noch schwerer wiegt: Bei der Woche sind nur ein gutes Drittel Abonnements (49.467), dazu kommen noch einmal 21.536 Exemplare im Einzelverkauf – und eine im Verhältnis zur Gesamtauflage rekordverdächtige Zahl so genannter sonstiger Verkäufe zum Beispiel für Lesezirkel, Hotels und Fluglinien. Im ersten Halbjahr 2001 gingen pro Woche über 50.000 Exemplare zu Sonderkonditionen auf den Markt.
Als im Sommer Verlagschef Ganske im Branchendienst kress von der „Verbreiterung der Führung“ schwärmte, hatte er damit wohl auch gemeint, dass Woche-Impresario Bissinger von seinen drei Hüten als Herausgeber, Geschäftsführer und Chefredakteur nur noch den des Herausgebers tragen wollte. Doch die so neu installierte Doppelspitze droht zu verwaisen: Dass Verlagsgeschäftsführer Kurt Breme, gemeinsam mit Jörges einst Bissingers, gehen wird, ist seit Monaten bekannt. Jetzt geht Jörges gleich mit.
Doch wieso eigentlich? In der FAZ schießt Breme dezent gegen Jörges, dieser mache es sich angesichts der aktuellen Situation im Zeitungs- und vor allem im Anzeigenmarkt zu leicht: „Wenn’s härter wird, müssen alle den Schirm aufspannen – und da kann keiner sagen: ich nicht.“
Der Sparkurs beim Verlustbringer des Verlages, dessen Defizit bisher aus Ganskes anderen Unternehmungen wie Merian, der Für Sie oder auch dem Buchverlag Hoffmann & Campe finanziert wird, gilt als unausweichlich. Die 44-köpfige Redaktion, ist aus Hamburg zu hören, solle aber so lange wie möglich geschont werden.
Kündigungen gar seien ausgeschlossen, heißt es, doch mit der Neubesetzung des Chefredakteursposten hat es Herausgeber Bissinger jetzt offenbar nicht so eilig: Im neuen Jahr wird man weitersehen. Und das, obwohl man gerade wieder einmal am Relaunch des Blattes saß, das mehr durch sein Design als durch die Inhalte besticht.
Vielleicht war es ja gerade der eben verliehene x-te Award als „Europe’s Best Designed Newspaper“, der zur Klärung beitrug.
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