Der letzte Aufwasch

Kein Showdown: Dr. Dre und Timbaland gelten derzeit als die beiden Superproduzenten des Rap. Beide warten sie nun mit neuen Alben auf

von THOMAS WINKLER

Sie sind die beiden einflussreichsten HipHop-Produzenten ihrer Zeit. Der eine brachte mit zirpenden, psychedelischen Samples die Westküste auf die HipHop-Landkarte, der andere reformierte mit stockenden, synkopierten Rhythmen den daniederliegenden HipHop. Jeder ihrer Tracks wird nach dem Erscheinen von den Experten weltweit auf neue Erkenntnisse der Beatbastelei untersucht. Rapper und Rapperinnen, die das Glück haben, von ihnen protegiert zu werden, schossen scheinbar unweigerlich zu Superstars empor, ihre eigenen Alben sammelten mehrfach Platin ein. Nahezu zeitgleich brachten die beiden, sowohl Dr. Dre als auch Timbaland, nun neue Platten heraus.

Der Veteran Dre, bereits seit den 80er-Jahren als Mitglied von NWA erfolgreich, veröffentlichte einen Soundtrack zur ebenso harmlosen wie weitgehend sinnentleerten Komödie „The Wash“. „Indecent Proposal“ ist das zweite Album von Timbaland zusammen mit Magoo, seinem Sandkastenkumpel und Lieblingsrapper.

Der Showdown der Superproduzenten aber fiel aus. Beide Werke sind keine Meilensteine, keine ihr Genre revolutionierenden visionären Arbeiten, sondern aus komplett unterschiedlichen Gründen eher durchschnittliche Übergangswerke. „The Wash“ war ursprünglich als erste längere Zusammenarbeit mit Snoop Dogg seit nahezu einem Jahrzehnt geplant. Dre hatte den Rapper in den frühen 90-ern zum Starreimschmied des Gangsta-Rap gemixt, bevor er anschließend Eminem unter seine Fittiche nahm. Aufgrund des immer näher rückenden Filmstarts wurde aus „The Wash“ dann aber doch nur ein eilig zusammengekloppter Soundtrack, der neben neuen Tracks von Busta Rhymes und Xzibit immerhin zwei gemeinsame Songs von Dre und Snoop zu bieten hat.

Von „Indecent Proposal“ wiederum sagt selbst sein Urheber, dass ihn die Platte kaum noch interessiere. Das Album lag mehr als ein Jahr auf Eis. Lange genug, dass die mittlerweile tödlich verunglückte Aaliyah noch quicklebendig mitsingt. So fallen die verzögerten Beats, mit denen Timbaland zum einflussreichsten Produzenten der zweiten Hälfte der 90er wurde, nicht mehr aus dem Rahmen, sondern klingen fast schon ein wenig angestaubt, sind sie doch hinter dem Stand, wie ihn Timbaland selbst auf dem Missy-Elliott-Album des letzten Sommers ausformuliert hat.

Eher unwillig gab er einige wenige Interviews, um das Album zu bewerben. In denen verkündete der vor 30 Jahren in Virginia als Tim Mosley geborene Timbaland, dass er nun ein Alter erreicht habe, in dem er der Fabrikation von Hitparadenfutter für Nas oder Nelly Furtado müde sei. Auftragsarbeiten werde er nach mehr als 20 Nummer-eins-Singles nur noch mit halber Kraft erledigen. Man müsse schon wie Jay-Z oder Elliott zum allerengsten Zirkel gehören, um noch volles Engagement erwarten zu dürfen. Zu diesem Kreis zählte auch die Soul-Diva Aaliyah, bevor sie Ende August mit dem Flugzeug abstürzte. Von ihr, so Timbaland, habe er noch reichlich Tracks in petto. Anstatt weitere Revolutionen in der HipHop-Produktion anzuleiern, könnte er sich also womöglich auf Leichenfledderei verlegen, wie man sie bereits von den erschossenen Rappern 2Pac Shakur oder Biggie Smalls kennt.

Auch Dre plant eine Verlagerung seiner Aktivitäten. Nachdem er vor zwei Jahren als gereifter Mittdreißiger mit seinem Comeback-Album „Dr. Dre 2001“ neue Verkaufsrekorde aufstellte, produktionstechnisch aber vor allem seinen eigenen Westcoast-G-Funk-Klassiker „The Chronic“ reproduzierte, scheint HipHop ausgereizt. „Ich kann mir einen Dreijährigen nehmen und einen Hit mit ihm machen“, ließ er verlauten. Mit Eminem hat er zudem bewiesen, dass er selbst einen weißen Rapper zum Superstar protegieren kann. Zwar lehnte Dre unlängst das Angebot ab, die gerade erschienene Platte von Michael Jackson zu produzieren, aber auch seine nächsten Schützlinge tummeln sich wie die Sängerin Truth Hurts eher im R&B, der momentan das Genre mit den größeren Zuwachszahlen zu sein scheint.

Timbaland wiederum fantasiert, dass er demnächst mit Metallica oder Nine Inch Nails arbeiten möchte. Gespannt dürfte man deshalb sein, wie sich ein gemeinsames Album der beiden Überproduzenten anhören würde. Das ist bereits seit Monaten im Gespräch, scheiterte aber bislang an akuter Terminkalenderüberfüllung.

Dr. Dre: „The Wash“ (Geffen/Interscope/Universal); Timbaland & Magoo: „Indecent Proposal“ (Blackground/ Virgin)