Verzweifelte Rufe über den Zaun

■ Gefangene in Glasmoor protestieren gegen Haftbedingungen und Abschiebung

Ungewöhnlich heftig verlief am Sonntagmittag der Protest der Gefangenen im Abschiebegefängnis Glasmoor. Die Männer hängten Bettlaken aus den Fenstern und steckten sie an. Als sie zum Ausgang aus ihren Zellen in den Hof gelassen wurden, zündeten sie Zeitungen und Klopapier an und skandierten: „Keine Abschiebung, keine Abschiebung!“

Der Protest richtete sich auch gegen den Tod von Achidi J., der bei der gewaltsamen Brechmittelverabreichung einen Herzstillstand erlitten hatte. „Viele haben ihn gekannt, weil er auch in Glasmoor war“, berichtet Gaby Hundelshausen von der Unterstützergruppe, die Kontakt zu den Gefangenen hält.

Doch die verzweifelten Rufe über den Zaun galten auch den eigenen Sorgen: „Ich werde abgeschoben, morgen 6 Uhr, nach Ecuador“, schrie ein Mann. „Warum? Ich habe doch Familie hier.“ „Ich habe Termin am 27.“, rief ein anderer. „Abschiebung nach Ghana!“ Auch die überwieged aus Osteuropa stammenden Häftlinge im hinteren Hof beteiligten sich an der Aktion. Kurzerhand funktionierten sie ein Verkehrshütchen zur Sprechtüte um und forderten: „Keine Abschiebung!“ Es sei, so versicherte ihnen ein Unterstützer über Megafon, „eine Schweinerei und Unrecht, wenn man Leute einsperrt, nur weil sie nicht deutsch sind“.

Trotz Eiseskälte blieben die Männer zwei Stunden im Hof. Am Zaun harrte derweil eine Gruppe von etwa 50 Menschen aus, die seit Jahren regelmäßig an jedem 3. Sonntag im Monat den abgelegenen Knast aufsuchen. So wie auch einige Osteuropäer, die ihre Freunde sehen wollten und keine Besuchserlaubnis hatten: Ohne Auto waren sie zu Fuß gekommen.

Erst vor 14 Tagen soll es eine ähnliche Protestaktion gegeben haben. Dabei ging es auch um die Haftbedingungen. Die Anstalt hat 84 Plätze und gilt als voll belegt. Die Männer sind zu sechst in einer Zelle untergebracht, nur eine Stunde Hofgang wird ihnen am Tag gewährt. „Das Essen ist schlecht“, rief gestern ein Insasse, „es gibt nur Wasser und Kartoffeln.“ Davon bekäme er Durchfall. Es gebe keinen Arzt, keinen Tabak, riefen andere, und auch keine Telefonkarten.

Wer den Gefangenen helfen will, sollte eben diese Karten oder Geld für einen Anwalt spenden. Kontakt zur Unterstützergruppe vermittelt der Flüchtlingsrat, Tel.: 43 15 87.

Kaija Kutter