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Rüstung, Arbeit, Konversion?

■ Nicht alle freuen sich in Bremen über milliardenschwere Rüstungsaufträge / Wann sind Simulationssysteme und Satelliten militärisch, wann zivil? / Es fehlt an Friedensmanagern

Ganz Bremen freut sich über die Rüstungsmilliarden, die nach Bremen fließen und Arbeitsplätze versprechen. Ganz Bremen? – Nein, eine kleine Gruppe von BremerInnen weist sorgenvoll darauf hin, dass „mit dem neuen Rüstungsschub die Konversion im Lande Bremen passé“ sei.

So heißt es in einer Mitteilung der Bremer Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung. Sie reagiert auf den Beschluss der Bundesregierung, für rund 3,5 Milliarden Mark neue Rüstungsgüter in Auftrag zu geben. Drei Bremer Firmen profitieren davon gewaltig. STN Atlas Elektronik baut 50 Drohnen, ferngesteuerte Aufklärungsflugzeuge. Die Firma OHB Systeme hat den Zuschlag für fünf Aufklärungssatelliten bekommen. Und die Lürssen Werft konstruiert an Korvetten für die Marine mit. Dazu bescheren neue Bestellungen von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) der Bremer Filiale des Flugzeugriesen EADS neue Jobs. Durch die Bestellung von 73 Exemplaren des Militärtransporters Airbus 400 M sollen in Bremen 500 neue Stellen entstehen.

Kritisch hat sich dazu bislang nur die Konversions-Stiftung geäußert. Im vergangenen Jahr war das Bremer Konversionsprogramm ausgelaufen, in dessen Rahmen 6.000 Arbeitsplätze in der Rüs-tungsindustrie in zivile Jobs umgewandelt wurden. Dafür wurden 45 Millionen Mark Fördergelder locker gemacht. Andrea Kolling von der Konversions-Stifung ärgert sich: „Es wird immer betont, wie wichtig die Zivilgesellschaft sei. Aber wenn man die Ausgaben fürs Militär mit den Ausgaben für friedensfördernde Projekte vergleicht, spricht das eine deutliche Sprache.“

Alexander van den Busch, Referent des Bremer SPD-Bundestagsabgeordneten Volker Kröning, relativiert den Abgesang auf die Konversion. Man müsse sehen, wie sich die Verteidigungsausgaben insgesamt entwickelten, nicht nur in Bremen. In Deutschland lägen sie bei 1,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Nur Belgien und Kanada hätten ähnlich niedrige Ausgaben. Sonst gäbe es nur noch die „finale Konversion“ à la PDS. Also: Abschaffung der Bundeswehr.

Fritz Merkel vom OHB-Vorstand meint, dass seine Produkte sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten. „Der Satellit, den wir bauen, ist eigentlich ein ganz normaler, mit dem man die Erde beobachten kann. Man kann damit aber auch feststellen, wenn irgendwo Truppen zusammengezogen werden“, so Merkel. Es handele sich bei dem Satelliten eben nicht um „klassisches Kriegsgerät“. Deshalb sei der Begriff der „Konversion“ auch nicht mehr passend, so der OHB-Mann.

Dem hält Thorsten Ludwig von der Konversionsstiftung entgegen, mit der zweifachen Nutzungsmöglichkeit („dual use“) würden sich Rüstungsbetriebe regelmäßig aus der Verantwortung stehlen: „Selbst wenn mit einer „Drohne“ auch mal eine Walfamilie in der Nordsee beobachtet werden könnte, wäre die Anschaffung für so einen Zweck viel zu teuer.“ Den präventiven Nutzen bestreitet Ludwig außerdem: „Wenn beobachtet wird, dass irgendwo Truppen zusammengezogen werden, muss ich auch Konfliktmanager haben, die den drohenden Krieg noch abwenden können.“ Die aber würden nicht gleichzeitig ausgebildet. „Es fehlt die zivile Flankierung bei solchen Geräten.“

Auch das Arbeitsplatzargument entkräftet die Stiftung. Jobs seien in der Rüstungsindustrie traditionell unsicher. Der drohende Stellenverlust ist für manche Regierungen ein Argument für weitere Rüstungsaufträge. „Die sollen von sicherheitspolitischen Erwägungen abhängen, nicht von der Arbeitsplatzsituation“, meint Andrea Kolling. Laut Pressesprecher Jörg Huthmann bei STN Atlas Elektronik hatte die Firma 1994 rund 6.700 Arbeitsplätze, jetzt arbeiteten dort noch gut 3.000 Leute. Fritz Merkel von OHB Systeme erklärte, dass „der Aufklärungssatellit in Produktionsspitzenzeiten weitere 50 Arbeitsplätze sichern“ wird. Bei der Lürssen Werft hieß es lapidar, der Auftrag würde die „Jobs sichern“.

Ulrike Bendrat

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