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Tränen lügen nicht

Nach Herthas 2:1 über Halbzeitmeister Leverkusen wird Trainer Jürgen Röber beim Weinen erwischt. Steht sein Abschied fest? Und wie will Manager Hoeneß ihn angesichts einer Siegesserie verkaufen?

von MARKUS VÖLKER

Das Bild des Tages: Die Tränen des Jürgen Röber. Nach Spielende lief der Trainer von Hertha BSC auf den Rasen des Berliner Olympiastadions. Wie immer. Dank an Marko Rehmer für den Einsatz beim 2:1-Sieg gegen Tabellenführer Bayer Leverkusen. Ein Klaps auf Andreas Neuendorfs Hinterkopf. Dann weinte Röber. Nur kurz. Das war ungewöhnlich. Noch eine feste Umarmung. Augenblicke später hatte er sich wieder gefasst. Sammelte sich. Die Kameras warteten.

Die Denkaufgabe ist nun: Was bedeuten die Tränen? Verraten sie, dass der Abschied aus Berlin schon besiegelt ist? Steht der Nachfolger fest, und Röber ist tief enttäuscht über das Verhalten seines Arbeitgebers? Oder, anderer Ansatz: Bleibt Röber doch, und war es also nur Ausdruck seiner Verbitterung, um einen Zweijahresvertrag feilschen zu müssen wie ein Neuling? Sagen die Tränen: Wie könnt ihr Zweifel an meinen Fähigkeiten haben? Ich werde euch, die ihr mich in Frage stellt, schon noch den Weltmann machen.

Die Gewissheit des Tages: In der kommenden Woche wird ein Schreiben aus dem Faxgerät quellen, das Klarheit schafft. Derzeit sagt ein eigentümlich schuldbeladener Dieter Hoeneß nur so viel: „Es geht doch nicht um die Kompetenz von Jürgen Röber. Wir reden nicht über die Vergangenheit. Er ist, das steht fest, ein sehr guter Trainer.“

Aber ist er gut genug für den Klub Hertha BSC, der sich als feste Größe in der Champions League etablieren und um die deutsche Meisterschaft spielen möchte? „Es ist normal, dass man in der Vorausbetrachtung nach dem Sinn fragt“, meint Manager Hoeneß. „Vorausbetrachtung“ umschreibt das Streben nach Höherem, das den Vorstand bewegt.

Die Stagnation auf recht hohem Niveau soll ein Ende haben. Ausscheiden in der dritten Runde des Uefa-Pokals, wie in den beiden vergangenen Jahren geschehen? Allenfalls ein Stolperer auf dem Weg nach oben. So wollen es die Hertha-Bosse sehen. In der Rückbetrachtung.

„Es wird mit Hertha weiter nach oben gehen“, hat Röber vor dem Spiel gesagt, „aber nicht in dem Tempo, das sich manche hier vorstellen.“ Einigen kann es nicht schnell genug gehen. Die Medien führten eine „künstliche Diskussion“, sagt Hoeneß über die Spekulationen. „Das enorme Medienaufkommen hat Auswüchse hervorgebracht, daran hat weder Jürgen Röber schuld noch irgendwer anders.“

Immerhin wollte sich der Manager am Samstag nach Spielende sicher sein, dass Röber heute „happy“ ist. Worüber bitte? „Darüber, dass die Mannschaft gewonnen hat.“ In den letzten acht Spielen holte Hertha BSC 20 von möglichen 24 Punkten. Wegen der Siegesserie lässt sich nur schwer vermitteln, warum der erfolgreiche Trainer zum Saisonende gehen soll. Auf die gewundene Erklärung darf man sich schon heute freuen. Überdies: Röber hat in Berlin wenig Feinde.

Einer outete sich am Samstag, aber der war zugereist. Schiedsrichter Franz-Xaver Wack schickte Röber auf die Tribüne, so dass der, als Ordner verkleidet, sein Team zum schwer erkämpften 2:1 coachen musste. Zum Spiel sagte Röber, er müsse den Hut vor seiner Mannschaft ziehen und vor ihrer Art, wie sie sich in den letzten Wochen präsentiert habe. Sie schien sich für den Trainer ins Zeug zu legen. „Er hat über Jahre seine Leistung gebracht“, sagte Torschütze Neuendorf. „Eine gute Entscheidung wird es dann geben, wenn wir mit Röber weitermachen. Ich trainiere gerne unter ihm.“ Würde die Trainerfrage basisdemokratisch behandelt, Jürgen Röber hätte große Chancen, einen Zehnjahresvertrag zu unterzeichnen.

Spielbericht: Leibesübungen SEITE 18

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