piwik no script img

Päckchenweise Annäherung

Der erste Euro-Tag verlief unerwartet ruhig  ■ Von Annette Kohlmüller und Alexandra Frank

Bereits seit Wochen reden alle von der Euro-Einführung. Gestern war es soweit: Die ersten Euro-Münzen kamen auf den Markt. Lange Schlangen, Gedränge und frühzeitigen Ausverkauf der neuen Geldstücke hatten Banken und Medien vorher beschworen. Doch die HamburgerInnen zeigten sich gelassen. An den meisten Geldinstituten mussten Umtauschwillige nur wenige Minuten warten, bis sie die langersehnten Starter-Kits in den Händen halten konnten. Für 20 Mark bekamen sie ein kleines Plastiktütchen mit verschiedenen Cent- und Euro-Münzen im Gesamtwert von 10,23 Euro.

„Nur heute morgen in der ersten Viertelstunde, kurz nach Öffnung, war es etwas voller als sonst, aber dann hat sich die Lage schnell beruhigt“, sagt Katja Palm, Angestellte der Commerzbank. Auch in anderen Banken und Sparkassen zeigte sich um die Mittagszeit ein ähnliches Bild. Damit hatten die wenigsten gerechnet. „Ich bin extra gleich in der großen Pause hergeeilt“, berichtet Tim Hoffmann, „damit ich auf jeden Fall ein Päckchen bekomme.“ Der 16-jährige Schüler will sein Starter-Kit unangetastet lassen: „Die ersten Euro-Münzen werden bestimmt mal viel wert sein“, prophezeit er. Dies wird allerdings von Mitarbeitern der Sparda-Bank angezweifelt: „Bis Jahresende werden in ganz Deutschland 50 Millionen Start-Päckchen ausgegeben. Das sind zu viele, als dass es eine große Wertsteigerung geben könnte“, meint Thomas Stöckigt.

Die meisten Kunden wollen das neue Geld sowieso baldmöglichst ausgeben. „Am 2. Januar kaufe ich mir von diesem Päckchen meine Brötchen und die Zeitung“, sagt Kunda Salzmann, die die neuen Münzen begutachtet. „Die sehen ja aus wie Spielgeld“, sagt die junge Frau. Dieser Meinung sind auch Gisela und Alwin Mertes. Das Rentner-Ehepaar sieht der Euro-Umstellung ganz gelassen entgegen. „Die Währungsreformen von 1923 und 1948 haben wir auch gut überstanden.“ Kein Verständnis für den Run auf den Euro hat Hans-Jürgen Lundie. Er tätigt in der Deutschen Bank wie gewohnt seine Überweisungen und lässt die Starter-Kits links liegen.

Dafür greifen andere gleich mehrmals zu. Denn entgegen der Ankündigungen kann man in den meisten Banken nicht nur ein, sondern bis zu fünf Päckchen pro Person erhaschen. Citi-Bank Mitarbeiterin Nicole Krug bestätigt, dass sie und ihre KollegInnen unbegrenzt Euro-Beutel verteilen dürfen. „Wir hatten eine Kundin, die wollte gleich 25 Stück. Keine Ahnung, was sie damit machen will.“

Fast alle Geldinstitute haben bis Mitte Januar zusätzliches Personal eingestellt. In den Haspa-Filialen wurden sogar ehemalige Angestellte als Euro-Aushilfe rekrutiert. „Ich bin schon seit neun Jahren in Rente, aber bei so einem Ereignis stehe ich natürlich zur Verfügung“, lacht Ruth Rohde. Sie verteilt mit echter Begeisterung die Euro-Päckchen. Ihre Kunden scheinen gut informiert zu sein. Fast alle stecken die Münzen in die Tasche, ohne weitere Fragen zu stellen. Deshalb ist auch hier der Andrang noch gut zu bewältigen, obwohl bereits am Nachmittag 660.000 der eine Million Haspa-Kits in Hamburg unters Volk gebracht wurden. Ganz anders sieht es zunächst bei der Post aus. Dreißig Menschen stehen bis draußen vor der Tür Schlange. Allerdings wollten die meisten nicht frühzeitig in den Euro starten, sondern einfach nur rechtzeitig ihre Weihnachtspäckchen loswerden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen