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Fotografieren verboten: Lebensgefahr

■ Alles wird gut in Afghanistan? Wohl kaum, warnt die RAWA-Frau Shala Azad / 200 Frauen kamen, um die Frauen-Aktivistin in Bremen zu sehen und zu hören

Fotografieren darf man sie nicht, die 27-jährige Shala Azad. Sie ist eine von 2.000 „RAWA“-Aktivistinnen. „Wenn Fotos von Shala oder anderen RAWA-Frauen existieren, ist das für sie lebensbedrohlich“, erklärt die Moderatorin. RAWA, das steht für „Revolutionary Association of the Women of Afghanistan“. 200 Frauen strömten am Sonntagabend ins DGB-Haus, um Shala Azad zu erleben. Vor allem aus der Frauenszene schien das Publikum zu kommen, mit bunten und mit grauen Haaren, politisch interessiert. Das Frauenbildungszentrum „belladonna“ und der Frauenbuchladen „Hagazussa“ hatten diesen Abend organisiert.

Die Aktivistin tritt in dunkler Hose und Pullover und unverschleiert auf, ganz europäisch. Eine Burka hängt zur Anschauung an der Wand. Azad gehört seit 1996 zu RAWA. Ihren richtigen Namen erfährt niemand: Geheimhaltung ist alles bei der Arbeit im Untergrund.

Über drei Stunden geht es hin und her vom Persischen ins Deutsche und zurück. Shala Azad spricht ernst, meist ruhig. Am ehes-ten erahnen die Besucherinnen ihre Gefühle, als sie fragt: „Ist es nicht lächerlich, dass Bush und Blair jetzt ihre Truppen einmarschieren lassen, dass sie jetzt für Frauenrechte kämpfen?“

Schließlich hätten sie Ossama Bin Laden erst gestärkt. Ob der provozierende Ton von Azad selbst kommt oder von der Übersetzerin hineingelegt wird, wissen die Zuhörerinnen nicht. Die Übersetzerin ist eine Afghanin, die seit 24 Jahren in Bremen lebt. Wenn sie Azads Antworten ins Deutsche übersetzt, ergänzt sie sie manchmal um ihre eigene Meinung, was sie dann aber dazu sagt.

An diesem Abend hören die Frauen viel Bekanntes: Die Lage habe sich in Afghanistan nach den Taliban nicht verbessert, vor allem für die Frauen nicht. Azad berichtet, dass die meisten Frauen weiterhin die Burka tragen: „Sie sollten den Schleier ablegen. Aber sie haben immer noch Angst vor den Fundamentalisten.“

Die Menschen hätten die Greuel der Nordallianz nicht vergessen, sagt Azad und meint den Bürgerkrieg, Vergewaltigungen und Massaker, die beispielsweise General Dostum von der Nordallianz angerichtet hat. „Jetzt behauptet die Nordallianz, sie würde sich für Freiheit und Gleichberechtigung einsetzen, weil die ganze Welt auf sie schaut“, so die Aktivistin. Die Kämpfer von damals säßen nun auf elf Ministerposten in der Übergangsregierung: Inneres, Verteidigung, Justiz und Außenministerium gehören dazu.

Wie RAWA die zwei Frauen in der Übergangsregierung einschätzt, will eine Frau aus dem Publikum wissen. Azad äußert sich skeptisch gegenüber der designierten Frauenministerin Sima Samar: RAWA verlange von Frauen, klare Positionen für Frauen- und Menschenrechte zu beziehen. Das habe die Ärztin Sima Samar nie getan.

Was fordert RAWA für Afghanistan? „Ohne Demokratie haben Frauenrechte keine Chance. Wir brauchen einen säkularen Staat“, betont Azad. Wie ihr Land dahin kommen könnte, dazu sagt sie wenig. Einen UNO-Friedenseinsatz müsse es geben, alle afghanischen Soldaten müssten entwaffnet werden, die Geldgeber darauf achten, dass die Unterstützung ihr Ziel auch erreiche. Konkreter wird die RAWA-Aktivistin nicht.

„Es wird ein sehr langer Weg“, sagt Shala Azad und kommt damit auf die Motive der RAWA-Arbeit zurück. „Es wird ein sehr langer Weg in einem Land, in dem die Menschen keine Bildung haben.“

Ulrike Bendrat

RAWA-Spendenkonto (autorisiert): „Friedensinitiative Nottuln, Sparkasse Coesfeld, BLZ 401 545 30, Konto-Nr: 825 932 45.

RAWA im Netz: www.rawa.org .

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