: Schreck, lass nach . . .
Immer mehr deutet darauf hin, dass Gregor Gysi neuer Wirtschaftssenator wird. Was für die einen ein falsches Signal wäre, wäre für andere wegen der Person Gysi selbst gar keine schlechte Wahl
von UWE RADA
Es gibt keinen Zweifel: Er möchte. Wiederholt ließ Gregor Gysi dieser Tage mitteilen, dass er sich das Amt des Wirtschaftssenators durchaus vorstellen kann. Mit dem Justizressort jedenfalls, dementierte er einen scherzhaften Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), wolle er sich nicht abspeisen lassen.
Es gibt aber auch keinen Zweifel daran, dass die Partei ebenso gerne möchte wie Gysi selbst. Aus dem PDS-Bundesvorstand ist seit längerem zu hören, dass Gysi als Wirtschaftssenator ein weiteres PDS-Vorurteil brechen könnte: Hätte er bei der Ansiedlung neuer Unternehmen Erfolg, würde keiner mehr die PDS eine wirtschaftsfeindliche Partei nennen können, auch nicht Bundeskanzler Gerhard Schröder. Als Unternehmerschreck hätten die Sozialisten dann ausgedient.
Doch ganz so einfach ist die Rechung nicht. Nicht nur Wirtschaftsfunktionäre, sondern auch Unternehmer selbst warnen immer wieder vor einer Regierungsbeteiligung der PDS. So fürchtet etwa der Berliner Siemens-Chef Gerd von Brandenstein negative Auswirkungen auf die Stadt. Und auch der Motorola-Chef Bob Growney fürchtet, dass ein rot-rotes Bündnis psychologische Konsequenzen haben könnte. Im „Inforadio“ sagte Growney: „Wenn die ausländischen Journalisten das Thema erst einmal entdecken, könnte es dazu führen, dass vor allem die Amerikaner ein negatives Bild von Berlin bekommen.“
Andere sind da zurückhaltender, wie der britische Unternehmer und Wirtschaftsvertreter Volker Hines. „In Großbritanien“, sagt Hines, „reagiert man auf das Thema eher unaufgeregt und abwartend.“ Der Grund: Auf der Insel weiß man bislang noch wenig über die PDS. Ganz unideologisch geht es in Asien zu. Martin Post vom Asien-Pazifik-Forum meint, auch die PDS würde die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nicht verändern. Ebenfalls im „Inforadio“ sagte Post: „Der asiatische Unternehmer schaut auf die Verlässlichkeit. Ich sehe nicht, dass das bei einer Regierungsbeteiligung der PDS nicht der Fall sein sollte.“
Ganz und gar optimistisch gibt sich unterdessen der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Krätke. „Bei Standortentscheidungen hängen neunzig Prozent davon ab, was man bietet. Da spielt es keine Rolle, wer da Senator ist“, so Krätke zur taz. Die restlichen zehn Prozent hätten dagegen mit der Psychologie zu tun. „Und da ist Gysi mit seinem professionellen Auftreten bestimmt hundert Mal besser als Wolfgang Branoner.“
Krätke weiß, wovon er spricht. Noch vor einigen Jahren hat er der Berlin den zweifelhaften Titel „Hauptstadt der Potzkolonnen“ zugesprochen. In seinem neuen Buch „Medienstadt Berlin“ dagegen weiß er durchaus Positives zu berichten. „Vor allem der Medienstandort Berlin ist auch international in die erste Liga aufgestiegen.“
Auch das könnte letzten Endes Gysi und der PDS zugute kommen. Wenn er nämlich Wirtschaftssenator würde, dann nur als Schlüsselressort. Klarer Fall, dass der Posten des Medienbeauftragten für den PDS-Mann dazugehört.
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