: Ein wunderbarer Krieg
DAS SCHLAGLOCH von KLAUS KREIMEIER: Gutes Marketing kann auch Bomben und Kollateralschäden vermitteln. Schlechte Nachrichten gibt es nicht, nur schlechte PR
„Wenn sich die Dinge zum Schlechten wenden, wende das Schlechte zum Guten.“ Wahlspruch von John Rendon, Rendon Group
Die Welt war wüst und leer, bis Ende der 80er-Jahre John Rendon kam. Er fand heraus, dass sie ein großer Marktplatz sei, eine riesige Chance für die US-Wirtschaft und keineswegs das Schreckgespenst, das marginale Geister („insular minds“) immer wieder an die Wand malten. Die Politik, dann der Regierungsdienst, schließlich die Medien hatten Rendon gestählt. Als Executive Director der Demokratischen Partei, als Wahlhelfer für Carter und Kommentator für CBS und CNN war er zu Einsichten gelangt, die ihn, in der Terminologie des amerikanischen Nachrichtengeschäfts, zum „perception manager“ prädestinierten. Die Wirklichkeit ist eine Konstruktion – und ihre Wahrnehmung eine Frage des Designs. Eine Vermittlungsaufgabe, die modernes Management erfordert.
Die Krisen der Welt wurden zu Rendons Spielzeug. Dabeisein und Mitmischen, so erzählte er 1997 interessierten Zuhörern aus der Geschäftswelt von New Jersey, hat er gleichsam mit der Stoppuhr betrieben. In der Panama-Krise, als es gegen den Schurken Noriega ging, traf er fünfzehn Minuten vor Beginn der Operation „Just Cause“ ein, just in time, um der gerechten Sache das passende informationelle Layout zu geben. Kuwaits Boden betrat er 1991, einen Tag bevor die Aktion „Desert Storm“ losbrach – rechtzeitig, um noch schnell zum Informationsminister der von Saddam abgesetzten Regierung ernannt zu werden. Zuvor hatte die PR-Agentur Hill & Knowlton jene Gruselgeschichte der von den Irakis ermordeten Brutkasten-Babys in die Welt gesetzt – mit so nachhaltigem Erfolg, dass selbst amnesty international auf die Story hereinfiel und zahllose im Glauben gefestigte Amerikafeinde die USA plötzlich für eine Friedensmacht hielten. 1994 war Rendon dann in Haiti dabei.
„I spend much of my time in places where duck is a verb and not a noun“, verriet er seinen Geschäftsfreunden. Frei übersetzt: Ich halte mich häufig dort auf, wo es ratsam ist, seinen Kopf rechtzeitig wegzuducken. Seinen Kopf benötigt Rendon nämlich, um andere Köpfe zu formatieren und ihnen beizubringen, wie sie die jeweilige Krise zu verstehen und was sie aus ihr zu machen haben. „Informations-Designer“ nennt er sich selbst, und die Informationen, die er am liebsten designt, betreffen Privatisierung, „Friedensdividende“ und den „global marketplace“. Wie jeder Geschäftsmann, der etwas auf sich hält, will er als Privatmann, nicht aber als Repräsentant seiner Regierung angesehen werden.
Seine Erkenntnisse sind schlicht, jedoch strikt aus der eigenen Berufspraxis abgeleitet: „Ob man es gutheißt oder nicht – globale Geschäfte werden in einem Umfeld abgewickelt, das von Regierungen, von der Politik und von den Medien bestimmt wird.“ Seine Konsequenz: Globale Geschäfte gedeihen dort am besten, wo Regierende ihr Land ruiniert, die internationale Politik eingegriffen und die Medien für globale Aufmerksamkeit gesorgt haben. Für „Politik“ könnte man auch „Krieg“ einsetzen, aber Rendon bevorzugt ein unverfänglicheres Vokabular.
„Reconstruction work“, Wiederaufbau, sei jedenfalls die wichtigste Quelle des Wachstums und die lukrativste Anlage für ausländische Investoren.
1997 wird Rendon zum Bosnien-Fan. Er nimmt sich ein paar Tage Zeit, um durch die maroden Straßen von Sarajevo zu spazieren. Er notiert die Spuren, die Granaten und Artilleriegeschosse an den Fassaden hinterlassen haben – und die vielen Menschen, die emsig und unverdrossen miteinander Handel treiben. 1,4 Milliarden im Jahr – so errechnet sein blitzschneller Wiederaufbau-Verstand. Infrastruktur an erster Stelle: Transport, Telekommunikation und Energie. Siemens, Asea Brown Boveri und der schwedische Konzern Ericsson haben bereits Verträge abgeschlossen, „because they figured it out“. Das heißt im Amerikanischen so viel wie: ein Problem erkennen, um sofort seine Lösung in Angriff zu nehmen.
Rendons Auge streicht über den Service-Sektor und erfreut sich an neu eröffneten Cafés und Restaurants, in denen viele heimgekehrte Flüchtlinge sitzen. Auch sie eine schier unerschöpfliche Ressource: Kaum zurück, stürzen sie sich ins Geschäft, mit der Cleverness und den Tricks, die sie im Ausland gelernt haben. Selbst Kriegsgewinnler, unappetitlich, wie sie sind, nimmt man in Kauf. Sie geben ihr Geld dort aus, wo sie ihre schmierigen Gewinne gemacht haben. Rendon ist ironiefähig: Gerade die Kriegsgewinnler beweisen, dass die Wirtschaft sich erholt. Erregt streift sein Blick über die Schaufenster mit den Labels von Nike, Reebok und Levi Strauss. Benetton hat schon während des Krieges eine Filiale eröffnet. Kann McDonald’s da noch lange warten?
Im Oktober nun ernannte die US-Regierung die Rendon Group zur PR-Agentur für ihren Krieg in Afghanistan. Die Hoffnung: Richtiges Marketing werde auch Flächenbombardements und Kollateralschäden der Weltöffentlichkeit so vermitteln, dass das Endziel – ein im Glanz der US- amerikanischen Wirtschaftshegemonie erstrahlender Weltmarkt – nicht in Vergessenheit gerät. Die Amerikaner waren erstaunt, dass sie einen wunderbaren Krieg führten, beträchtliche Teile des Global Village, zumal in den arabischen Ländern, jedoch nicht einsehen mochten, was an diesem Krieg so wunderbar war. Kriegführende Parteien, so der US-Publizist Norman Solomon, haben die Neigung, die Konfusion, die sie in der Welt anrichten, in die Köpfe ihrer Kritiker zu projizieren. Mit deren Wahrnehmung stimmt etwas nicht, folglich muss sie durch einen professionellen Einflüsterungsapparat zurechtgerückt werden.
Immerhin wertet die Rendon Group die aktuelle Berichterstattung in 79 Ländern aus und hat bewiesen, dass sie mit den üblichen PR-Standards – Nachrichtenanalyse, Bearbeitung von Zielgruppen und Internet-Kommunikation – umzugehen versteht. Die Firma bastelt an einer Multimedia-Website über Terrorismus, und zweifellos ist es ihr zu danken, dass wir nun gehäuft Fernsehbilder von Hilfsaktionen für die hungernde Zivilbevölkerung Afghanistans sehen können. Wer einwendet, die Hilfslieferungen seien viel zu gering, um ein Massensterben zu verhindern, hat die Gesetze des Marketing nicht begriffen. Er registriert nicht den Unterschied zwischen Realität und Symbol, mit anderen Worten: Er tickt nicht ganz richtig und muss wohl den notorisch unbeeinflussbaren Amerikahassern zugerechnet werden.
Schon 1991 schrieb Eugene Secunda, Marketing-Professor und selbst ein Akteur im Sektor Kriegskommunikation, in militärischen Auseinandersetzungen gehe es vor allem um die Mobilisierung der öffentlichen Meinung mit Hilfe von „Projektionen“, die heute von mächtigen und gut kontrollierten PR-Maschinen ermöglicht werden. Es geht darum, bei gleichbleibend schlechter Nachrichtensituation das Outfit der Nachrichten zu verbessern, aus der miesen Lage gute News und schöne Bilder herauszuholen. Die Propaganda hat ausgedient. Wir bewegen uns in John Rendons Welt des Wahrnehmungs-Designs.
Fotohinweis: Klaus Kreimeier ist Publizist und Medienwissenschaftler in Siegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen