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Terrorfarce in den Tropen

Dramatische Szenen im Indischen Ozean: Armee der Komoren schlägt angebliche Antiterroreinheit der USA in die Flucht – kurz vor einem Verfassungsreferendum

BERLIN taz ■ Angebliche US-Soldaten sind gestern auf den Komoren im Indischen Ozean gelandet. Nach heftigen Kämpfen wurden sie zurückgeschlagen. Ein Regierungssprecher sagte, drei der Angreifer seien getötet und einer verhaftet worden. Die anderen seien geflohen.

Spätestens die Siegesmeldung ließ es als sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass die USA wirklich auf den Komoren einmarschiert waren. Dies hatten am Morgen Agenturen aus der komorischen Hauptstadt unter Berufung auf staatliche Quellen berichtet. Die Truppe, in der sich Schwarze und Weiße befanden, sei bei Sonnenaufgang an drei Stellen auf der Insel Moheli gelandet, habe die Sicherheitskräfte überwältigt und Flugblätter mit dem Absender „Armee der USA“ verteilt, auf denen stand: „Euer Präsident arbeitet mit Terroristen zusammen; wir sind da, um euch zu schützen.“

Unterschiedlichen Angaben zufolge, die alle auf Gerüchten aus zweiter Hand beruhten, gaben sich die Angreifer als US-Militärs oder FBI-Mitarbeiter aus. Ihre Zahl wurde zwischen zehn und mehreren hundert angegeben. Der lokale Vertreter der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), Francesco Madeira, sagte: „Es ist nicht klar, wofür diese Leute stehen. Sie gaben sich als amerikanische Soldaten aus, die auf den Komoren islamische Fundamentalisten suchen, und ein paar von ihnen sprachen Englisch, aber schließlich wurde festgestellt, dass sie perfektes Französisch sprachen.“ Wie auch immer – die Regierung der Komoren schickte umgehend 30 Soldaten nach Moheli, und am Mittag war der Spuk vorbei. Offizielle US-Stellen verneinten jede Kenntnis der Sache.

Es trifft zu, dass die USA in den Komoren ein Sicherheitsrisiko sehen. Einer der vermuteten Urheber der Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998, Fazul Abdullah, kommt von den Komoren, entkam dort 1998 einem FBI-Team und ist bis heute flüchtig. Die komorische Regierung hat den US-Krieg in Afghanistan kritisiert.

Wahrscheinlich hängt der gestrige Zwischenfall aber eher mit der Staatskrise der Komoren zusammen. Die „Islamische Bundesrepublik der Komoren“ umfasst seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1975 drei der vier Komoreninseln; die vierte, Mayotte, gehört noch immer zu Frankreich. Diese Konstellation hat dazu geführt, dass die Komoren in ihrer kurzen Geschichte mehr Putschversuche mit Beteiligung ausländischer Söldner erlebt haben als jedes andere Land der Welt. 1997 spaltete sich die östlichste Komoreninsel Anjouan mit Billigung aus Frankreich ab. Erst dieses Jahr einigten sich die beiden Regierungen auf eine Neugründung des komorischen Staates mit Autonomie für jede Insel. Am kommenden Sonntag findet auf dem Inselstaat eine Volksabstimmung darüber statt.

Manche auf den Komoren vermuten jedoch, dass Kräfte der einstigen Kolonialmacht versuchen, das zu hintertreiben. Der im August gestürzte Militärherrscher von Anjouan, Said Abeid, der das Abkommen zuletzt ablehnte, soll auf Mayotte französische Söldner um sich gesammelt haben und schaffte es im November fast, auf Anjouan die Macht zurückzuerobern. Andere Anjouan-Dissidenten haben sich nach Moheli abgesetzt, Schauplatz des gestrigen Angriffs. Mohelis Regionalpartei „Volksfront der Komoren“ ruft zu einem Nein beim Verfassungsreferendum auf. DOMINIC JOHNSON

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