Der Spruch ist kein Freispruch

US-Bundesrichter hebt zwar das Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal vorläufig auf, nicht aber den Schuldspruch wegen Mordes an einem Polizisten

aus Washington MICHAEL STRECK

Für Mumia Abu-Jamal gibt es etwas neue Hoffnung. Der zum Tode verurteilte schwarze US-Bürgerrechtler darf mit einer neuen Verhandlung über das Strafmaß rechnen. Ein US-Bundesgericht in Philadelphia hob in erster Instanz das vor fast zwei Jahrzehnten verhängte Todesurteil gegen Abu-Jamal auf. Mögliche mildernde Umstände seien bei dem Urteilsspruch der Geschworenen nicht ausreichend berücksichtigt worden, begründete Richter William Yohn seine Entscheidung. Daher müsse entweder innerhalb von 180 Tagen eine neue Verhandlung über das Strafmaß stattfinden oder die Strafe in lebenslange Haft umgewandelt werden. Abu-Jamals Forderung nach einem neuen Prozess lehnte Yohn ab.

Der frühere Rundfunkjournalist war wegen Polizistenmordes 1982 zum Tode verurteilt worden, obwohl er auf „nicht schuldig“ plädiert hatte. Seitdem sitzt der inzwischen 47-Jährige im Gefängnis Waynesburg in Pennsylvania. Auch seine Anhänger halten ihn für unschuldig. Richter William Yohn ließ jedoch die Verurteilung Abu-Jamals wegen Mordes in Kraft. Das Gericht begründete die Entscheidung mit Verfahrensfehlern bei der ursprünglichen Festlegung des Strafmaßes. Staatsanwältin Lynn Abraham in Philadelphia kündigte jedoch umgehend Berufung an. Die Entscheidung von Bundesrichter Yohn sei rechtlich zweifelhaft. Damit ist die 180-Tages-Frist im Prinzip bereits gewahrt.

Abu-Jamal war schuldig gesprochen worden, am 9. Dezember 1981 bei einem Schusswechsel den 25-jährigen Polizisten Daniel Faulkner ermordet zu haben. Abu-Jamal beteuerte stets seine Unschuld. Abu-Jamals Anwälte hatten 1999 sogar das Geständnis eines Mannes präsentiert, der sich der Tat bezichtigt hatte. Arnold Beverley hatte angegeben, mit dem Mord an Faulkner beauftragt worden zu sein, weil dieser für korrupte Polizisten zum Problem geworden war. Wegen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit wurde das Dokument allerdings nicht vor Gericht zugelassen.

Der Fall hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Mehrere Bürgerrechtsgruppen fordern eine Neuauflage des kompletten Verfahrens. Abu-Jamals Unterstützer bezeichnen ihn als politischen Gefangenen, der Opfer eines rassistischen Rechtssystems geworden sei. Die Staatsanwaltschaft hat dagegen erklärt, Abu-Jamal sei ein gewöhnlicher Gewaltverbrecher. „Wenn sie ihm lebenslang ohne Bewährung geben, wäre das für uns völlig inakzeptabel“, sagte Jeff Mackler, der eine US-Gruppe für die Freilassung von Abu-Jamal leitet. Andere Unterstützer sagten, das gesamte Urteil hätte verworfen werden müssen. Abu-Jamal gilt als Symbol des Kampfs gegen die Todesstrafe in den USA.

Dagegen ist die Entscheidung für Maureen Faulkner, die Witwe des erschossenen Polizisten, schmerzhaft, wie sie im Rundfunk sagt. Ihre Familie und Polizeivertreter haben immer wieder Abu-Jamals Hinrichtung gefordert. Ein Polizeisprecher in Philadelphia nannte die richterliche Entscheidung „obszön“ und einen „Justizirrtum“.

Die ehemalige Staatsanwältin und heutige Dekanin an der Temple University of Law, Jo Anne Epps, sagte, ein neues Verfahren könnte wegen der geänderten sozialen Ansichten zu Rassenfragen bei Polizeikontrollen Abu-Jamals Leben retten. „Die Todesstrafe ist unwahrscheinlicher geworden“, so Epps.

Da Strafrecht in den USA Bundesstaatenrecht ist, wurde Abu-Jamals Fall bereits vor den Gerichten des Bundesstaates Pennsylvania verhandelt und vom Obersten Gerichtshof des Landes in den Jahren 1995 und 1998 bestätigt.

Noch 1999 lehnte der Oberste Gerichtshof in Washington Mumia Abu- Jamals Gesuch nach einem neuen Prozess ab.