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Aus Scham wird geschwiegen

Nicht nur Ärzte meiden das Gespräch über sexuelle Probleme, auch die meisten Patienten schweigen

Eines steht fest: Die meisten Krebspatienten haben Probleme mit ihrem Sexualleben. Fest steht auch: Darüber reden will keiner. „Sexualität und Krebs“ ist eines der wenigen Tabuthemen der modernen Medizin. Die Kranken erhalten wenig bis gar keine Beratung, was die Konsequenzen der Krankheit für ihr Intimleben angeht. Um eine „sexuelle Rehabilitation“ gelingen zu lassen, brauchen Krebspatienten aber das offene Gespräch mit dem Arzt. Das stellten Wissenschaftler der amerikanischen Tufts University im Fachjournal Cancer fest. Auch hierzulande fühlen sich die meisten Patienten auf dem Gebiet der Sexualität nicht unterstützt. Doch von sich aus sprechen sie das Thema nicht an, hat der Psychoonkologe Stefan Zettl von der Chirurgischen Uniklinik Heidelberg beobachtet: „Aus Scham fordern sie ihr Recht auf Beratung nicht ein.“

Zwar existieren an den großen deutschen Tumorzentren Beratungseinrichtungen, an kleineren Kliniken dagegen findet sich oft nicht einmal ein Psychologe. Längst nicht jede Selbsthilfegruppe macht Sex zum Thema. Niedergelassene Sexualtherapeuten, an die sich die Patienten nach ihrem Klinikaufenthalt wenden könnten, gibt es nur selten. Ob die Lösung darin liegt, vermehrt solche spezialisierten Experten auszubilden, zweifelt Zettl allerdings an. Nur ein Drittel der Patienten befolgt den Rat des Arztes, einen Therapeuten aufzusuchen. Die restlichen sechzig Prozent bleiben in der Betreuung ihres Hausarztes.

„Viel wichtiger wäre es also, die Ärzte im Krankenhaus und die Hausärzte in den Praxen in Gesprächsführung zu schulen“, folgert Zettl. Weder im Studium noch während der Ausbildung zum Facharzt brauchen sich Mediziner in psychosozialer Onkologie oder Sexualmedizin schulen zu lassen – selbst wenn sie eine Fachrichtung wählen, in der sie viel mit krebskranken Menschen zu tun haben. „Viele Ärzte fühlen sich unsicher und vermeiden deshalb ein Gespräch über das Thema Sex“, stellt Zettl fest. Damit falle ein bedeutsamer Bereich der Lebensqualität völlig unter den Tisch. Dazu kommt, dass „sprechende Medizin“ von den Kassen nicht bezahlt wird: Ein niedergelassener Arzt kann kaum etwas von der Zeit abrechnen, die er im Gespräch über persönliche Probleme eines Patienten investiert.

Durch die Einführung eines neuen Abrechnungssystems (die so genannten DRGs – Diagnosis Related Groups) soll schnelles Durchschleusen in Zukunft auch im Krankenhaus Priorität gewinnen. „Da kann keine vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient entstehen“, sagt Zettl. Es gebe allerdings durchaus Ärzte, die „ausgesprochen neugierig und interessiert am Thema“ seien. Einige von ihnen trafen sich auf dem Oberstaufener Symposium für praktische Onkologie, das dieses Jahr „Sexualität und Krebs“ als einen Schwerpunkt hatte. Mehr von solcher Weiterbildung für Mediziner sei dringend vonnöten, fordert Zettl, denn „welcher Patient träumt nicht von einem Arzt, der ihn als ganzen Menschen sieht?“

EVELYN HAUENSTEIN

Infos im Internet: www.krebsinformation.de, www.krebshilfe.de, www.dkfz.de

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